(1) Rechte des Nießbrauchers

 

Rz. 160

Der Nießbraucher hat das Recht, sämtliche Nutzungen aus dem belasteten Gegenstand zu ziehen. Er ist zum Besitz der Sache berechtigt, § 1063 Abs. 1 BGB. Sind verbrauchbare Sachen Gegenstand des Nießbrauchs, so wird der Nießbraucher Eigentümer dieser Sachen, § 1067 BGB ("uneigentlicher Nießbrauch").

 

Rz. 161

Das Verfügungsrecht über den belasteten Gegenstand steht dem Nießbraucher im Allgemeinen nicht zu. Ausnahmen sind die Fälle, in denen der Nießbraucher Eigentümer wird, nämlich beim "uneigentlichen Nießbrauch" sowie bei Sachfrüchten, die mit der Trennung von der mit dem Nießbrauch belasteten Sache Eigentum des Nießbrauchers werden. Außerdem hat der Nießbraucher im Rahmen ordnungsmäßiger Wirtschaft ein Verfügungsrecht über einzelne Stücke eines Inventars, das zusammen mit einem Grundstück Gegenstand des Nießbrauchs ist, § 1048 BGB. Diese Vorschrift wird auch auf andere Sachinbegriffe angewandt, beispielsweise auf das Zubehör eines Handelsgeschäfts.[198]

 

Rz. 162

Eine über die gesetzlichen Ausnahmefälle hinausgehende Verfügungsbefugnis des Nießbrauchers über den belasteten Gegenstand (sog. "Dispositionsnießbrauch") kann nicht mit dinglicher Wirkung als Inhalt des Nießbrauchsrechts vereinbart werden. Möglich ist es jedoch, dem Nießbraucher eine transmortale bzw. postmortale Vollmacht zur Verfügung über den betreffenden Gegenstand zu erteilen oder ihn zum Testamentsvollstrecker zu ernennen. Gerade die Kombination Nießbrauch und Testamentsvollstreckung für den überlebenden Ehegatten wird als Gestaltungselement in gemeinschaftlichen Testamenten und Ehegattenerbverträgen in Zukunft aus erbschaftsteuerlichen Gründen wieder an Bedeutung gewinnen.[199] Das gilt vor allem nach Wegfall des § 25a ErbStG aF.[200]

 

Rz. 163

Die wirtschaftliche Bestimmung, die der Eigentümer der Sache beigelegt hat, darf vom Nießbraucher allenfalls teilweise verändert werden,[201] § 1036 Abs. 2 BGB. Für die wirtschaftliche Bestimmung ist der Zeitpunkt der Bestellung maßgebend. Streitig ist, ob objektive Umstände oder der subjektive Wille des Eigentümers die wirtschaftliche Bestimmung festlegen.[202] Der Erblasser kann allerdings in der Verfügung von Todes wegen dem Nießbrauchsvermächtnisnehmer Befugnisse zur Änderung der wirtschaftlichen Bestimmung einräumen.[203]

 

Rz. 164

Der Nießbraucher hat "nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zu verfahren", § 1036 Abs. 2 BGB. Die Regeln ordnungsmäßiger Verwaltung sind nach objektiven Grundsätzen zu bestimmen. Zieht der Nießbraucher Früchte aufgrund ordnungswidriger Wirtschaftsführung oder übermäßiger Nutzung der Sache, so hat er insoweit dem Eigentümer bei Beendigung des Nießbrauchs den Wert der Früchte zu ersetzen, § 1039 BGB. Umgekehrt hat der Nießbraucher Veränderungen oder Verschlechterungen nicht zu vertreten, die durch ordnungsmäßige Nießbrauchsausübung entstanden sind, § 1050 BGB.

[198] BGH WM 1974, 1219.
[199] Vgl. Keller, BWNotZ 1970, 49 ff.; Bühler, BB 1997, 551; Mayer, ZEV 1997, 325 und Schmidt, BWNotZ 1998, 97 ff. Sog. "Württembergisches Modell".
[200] Vgl. oben Fn 1.
[201] RGZ 80, 229, 232; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, 2006, S. 427 m.w.N.
[202] Soergel/Baur, § 1036 Rn 3.
[203] MüKo/Pohlmann, § 1036 Rn 15.

(2) Pflichten des Nießbrauchers

 

Rz. 165

Der Nießbraucher darf die Sache nicht umgestalten oder wesentlich verändern, § 1037 Abs. 1 BGB. Welche Maßnahmen noch unwesentlich und damit zulässig sind, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen. Der Nießbraucher ist zur Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand verpflichtet, § 1041 S. 1 BGB. Daraus ergibt sich im Einzelnen:

Der Nießbraucher hat alle Maßnahmen zu unterlassen, die den wirtschaftlichen Bestand der Sache gefährden,
Ausbesserungen und Erneuerungen muss der Nießbraucher insoweit vornehmen, als sie zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören, § 1041 S. 2 BGB.
 

Rz. 166

Gewöhnliche Unterhaltungsmaßnahmen sind Ausbesserungen und Erneuerungen, mit denen ab und zu zu rechnen ist, selbst wenn sie im Einzelfall durch Zufall erforderlich werden.[204] Zu außergewöhnlichen Erhaltungsmaßnahmen ist der Nießbraucher berechtigt, aber nicht verpflichtet.[205] Der Nießbraucher hat keinen Anspruch darauf, dass der Eigentümer außergewöhnliche Reparaturen bewirkt, den Eigentümer trifft insofern keine Erhaltungspflicht.

 

Rz. 167

Zur Erhaltung der Sache gehört auch, dass der Nießbraucher diese auf seine Kosten versichern lässt, § 1045 BGB. Welche Schadensereignisse versicherungsmäßig abgedeckt werden, ist im Einzelfall nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wirtschaft zu beurteilen. Der Nießbraucher hat folgende auf der Sache ruhende Lasten zu tragen, § 1047 BGB:

ordentliche öffentliche Lasten, insbesondere Grundsteuer, nicht aber außerordentliche Lasten wie beispielsweise Anliegerleistungen für den Straßenbau,
privatrechtliche Lasten, die schon bei Begründung des Nießbrauchs bestanden haben, insbesondere Zinsen für durch Grundpfandrechte gesicherte Verbindlichkeiten, soweit sie die nießbrauchsbelastete Sache betreffen.
 

Rz. 168

Ist ein Grundstück einschließli...

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