Rz. 611

Am 17.8.2012 ist die Europäische Erbrechtsverordnung in Kraft getreten, die unmittelbare Wirkung entfaltet (Art. 288 AEUV). Seitdem dürfen keine der Verordnung entgegenstehenden nationalen Gesetze verabschiedet werden. Bilaterale Abkommen von Mitgliedstaaten mit Drittstaaten bleiben gegenüber der neuen Verordnung allerdings weiterhin vorrangig (Art. 75 Abs. 1 EuErbVO). Dies wird als eine der Schwächen der EuErbVO angesehen.[666]

In Deutschland ist in Bezug auf die EuErbVO am 17.8.2015 das Gesetz zum internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften in Kraft getreten.[667]

 

Rz. 612

Während sich nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. das materielle Erbrecht (Erbstatut) noch nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes gerichtet hat, ist nunmehr gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO grundsätzlich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers entscheidend. Laut einer älteren Entscheidung des EuGH[668] ist unter dem gewöhnlichen Aufenthalt der Ort zu verstehen, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration ist. Hierfür seien insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedsstaat sowie die Gründe für diesen Aufenthalt maßgebend. Es sei Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls den gewöhnlichen Aufenthalt festzustellen.

Problematisch wird die Zuordnung des gewöhnlichen Aufenthaltes etwa beim Auseinanderfallen von Wohn- und Arbeitsort, bei Grenzpendlern[669] und geschäftsunfähigen Erblassern sowie beim doppelten Wohnsitz. In solchen Fällen ist für die Beurteilung maßgeblich auf die tatsächlichen Umstände abzustellen.

[666] Döbereiner, NJW 2015, 2449.
[667] BGBl I 2015, 1042.

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