Rz. 28

Beglaubigt der Notar die Unterschrift des Vollmachtgebers unter einem von ihm – dem Notar – entworfenen Text oder unter einen vom Vollmachtgeber oder bspw. dessen Rechtsanwalt entworfenen Text, wird die Frage der Geschäftsfähigkeit (Prüfung und etwaiger Vermerk) unterschiedlich beantwortet.

 

Rz. 29

Der für die Unterschriftsbeglaubigung maßgebliche § 40 BeurkG (Abs. 3) verweist lediglich auf § 10 BeurkG (Identifizierung) und nicht auch auf § 11 BeurkG (Geschäftsfähigkeit). Daraus zieht die h.M. den (Umkehr-)Schluss, dass der Notar bei einem – nicht von ihm entworfenen Text – die Beglaubigung der Unterschrift nur dann abzulehnen hat, wenn er von der fehlenden Geschäftsfähigkeit überzeugt ist (§ 4 BeurkG); zu einer näheren Prüfung der Geschäftsfähigkeit soll der Notar nicht verpflichtet sein. Die Prüfungs- und Vermerkpflicht des § 11 BeurkG (siehe Rdn 11) soll nur einschlägig sein, wenn der der Notar den Text entworfen hat.[34] Nach der h.M. ist es dem Notar allerdings nicht verwehrt, auch bei einem nicht von ihm entworfenen Text Zweifel an der Geschäftsfähigkeit – entsprechend § 11 Abs. 1 S. 2 BeurkG – zu vermerken.[35]

 

Rz. 30

Dagegen spricht sich Renner mit gut nachvollziehbaren Gründen dafür aus, dass den Notar bzgl. der Geschäftsfähigkeit bei Unterschriftsbeglaubigungen generell – gleich ob der Notar den Text entworfen hat oder nicht – dieselben Prüfungs- und Vermerkplichten treffen wie bei Beurkundung (§ 11 BeurkG). Um Rechtsklarheit zu schaffen, fordert er zumindest für die äußerst praxisrelevante Vorsorgevollmacht eine Antwort des Gesetzgebers (Verweis auf § 11 BeurkG).[36] Dem Einwand, dass der Notar bei einer Unterschriftsbeglaubigung gar nicht in eine Situation komme, in der ihm aufgrund einer Unterredung Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit möglich wären,[37] tut Renner mit dem Hinweis ab, dass er Vorsorgevollmachten nicht "am Tresen" beglaubige.[38] In der Tat sollte einer notariellen Vorsorgevollmacht stets eine – eingehende – Unterredung des Notars mit dem Vollmachtgeber vorausgehen; ggf. kann der Vollmachtgeber dabei auch von den Vorzügen einer beurkundeten Vorsorgevollmacht überzeugt werden.

[34] DNotI-Report 2015, 153 (Gutachten); Grziwotz/Heinemann/Heinemann, BeurkG, 3. Aufl. 2018, § 11 Rn 6; Grziwotz/Heinemann/Grziwotz, BeurkG, 3. Aufl. 2018, § 40 Rn 5 und 8 m.w.N.
[35] DNotI-Report 2015, 153 (Gutachten); Grziwotz/Heinemann/Grziwotz, BeurkG, 3. Aufl. 2018, § 40 Rn 5 mit Fn 9.
[36] Armbrüster/Preuß/Renner/Renner, BeurkG, 5. Aufl. 2009, § 11 Rn 5 (anders seit der 7. Aufl. 2015 Armbrüster/Preuß/Renner/Piegsa, BeurkG, 8. Aufl. 2020, § 11 Rn 5); Renner, notar 2017, 218; Müller/Renner/Renner, BetreuungsR, 5. Aufl. 2018, Rn 763 ff.
[37] Lipp/Spalckhaver, Vorsorgeverfügungen, § 13 Rn 42.
[38] Müller/Renner/Renner, BetreuungsR, 5. Aufl. 2018, Rn 766 mit Fn 1201.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge