Rz. 8

Grundsätzliche Voraussetzung für die Bewilligung von Beratungshilfe ist, dass Rechtssuchende die erforderlichen Mittel nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann. Nach § 1 Abs. 2 BerHG ist diese Voraussetzung gegeben, wenn Rechtssuchende die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlungen erfüllen.

Zusätzlich dürfen Rechtssuchende keine andere Möglichkeit für eine Hilfe haben, wobei die Inanspruchnahme Rechtssuchenden zumutbar sein muss, § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG.

Als weitere Voraussetzung wird gefordert, dass die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint, § 1 Abs. 1 Nr. 3 BerHG.

 

Rz. 9

Der Begriff der Mutwilligkeit wurde zum 1.1.2014 u. 1.8.2021 in § 1 Abs. 3 BerHG konkretisiert.

Zitat

"(3) -1-Mutwilligkeit liegt vor, wenn Beratungshilfe in Anspruch genommen werden soll, obwohl Rechtsuchende, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen keine Beratungshilfe beanspruchen können, bei verständiger Würdigung aller Umstände der Rechtsangelegenheit davon absehen würde, sich auf eigene Kosten rechtlich beraten oder vertreten zu lassen. -2-Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit sind die Kenntnisse und Fähigkeiten der Rechtssuchenden sowie ihre besondere wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen."

 

Anmerkung!

Der Gesetzgeber wollte die Beweisanforderungen an die Mutwilligkeit nicht strenger regeln, als in PKH-Verfahren, weshalb "nicht mutwillig ist" sprachlich in "nicht mutwillig erscheint" geändert wurde.

 

Rz. 10

Mutwilligkeit liegt nach Auffassung des AG Berlin-Pankow immer dann vor, wenn Beratungshilfe in Anspruch genommen wird, obwohl ein Rechtsuchender, der keine Beratungshilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände der Rechtsangelegenheit davon absehen würde, sich auf eigene Kosten rechtlich beraten oder vertreten zu lassen, wobei bei der Beurteilung der Mutwilligkeit die Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers sowie seine besondere wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen.[5]

 

Rz. 11

Der Gesetzgeber verweist in seiner Begründung zur Definition des Begriffs "Mutwilligkeit" auf die Entscheidung des BVerfG[6] und möchte mit diesem Änderungen klarstellen, dass die Mutwilligkeit sich nicht auf Rechtswahrnehmung, sondern auf die Inanspruchnahme von Beratungshilfe beziehen soll. Verhindert werden soll damit die Beratungshilfe in solchen Fällen, in denen professioneller Rechtsrat nicht erforderlich ist.[7] Maßgeblich ist, ob ein verständiger Selbstzahler ebenfalls kostenpflichtigen Rechtsrat gesucht hätte. Abzustellen ist dabei auf die individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse des Rechtssuchenden sowie seine wirtschaftliche Situation, ggf. seine berufliche Bildung und Erwerbstätigkeit.

 

Rz. 12

 

Beispiel

Eine Sache lässt sich durch einfache Rücksprache mit dem Gegner selbst klären. Beratungshilfe wird nicht bewilligt.

 

Rz. 13

Der Gesetzgeber führt in der Gesetzesbegründung folgende Beispiele für Mutwilligkeit an:[8]

fehlende mögliche Eigeninitiative,
wiederholte Anträge in derselben Angelegenheit,
Einholung einer Zweitmeinung.
 

Rz. 14

Mutwilligkeit wird verneint bzw. ist nicht bereits generell anzunehmen:

vorzeitige Beendigung des anwaltlichen Beratungsvertrags (jedenfalls nicht generell mutwillig),
Geltendmachung geringfügiger Forderungen für einen Bürger mit geringen Mitteln
 

Rz. 15

Um Rechtssuchende davor zu schützen, dass sie auf einen Anwalt, der bekanntermaßen "pro bono" arbeitet, verwiesen zu werden, wurde § 1 Abs. 2 S. 2 BerHG aufgenommen:

 

Die Möglichkeit, sich durch einen Rechtsanwalt unentgeltlich oder gegen Vereinbarung eines Erfolgshonorars beraten oder vertreten zu lassen, ist keine andere Möglichkeit der Hilfe im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2.

 

Rz. 16

Mit § 4 Abs. 1 S. 3 RVG sowie § 4a Abs. 1 S. 3 RVG wurde somit die Möglichkeit geschaffen, eine Beratung auch pro bono (ohne Vergütungsanspruch – "für die Ehre") anzubieten. Damit es nicht zu einer verstärkten Ablehnung von Beratungshilfegesuchen unter Verweis auf Kanzleien, die bereit sind, pro bono zu arbeiten, kommt, wird klargestellt, dass eine solche kostenfreie Beratungsmöglichkeit keine "andere Hilfsmöglichkeit" im Sinne des BerHG darstellt.

 

Rz. 17

 

Beispiel

Der Auftraggeber beantragt Beratungshilfe. Das Gericht kann diese nicht mit der Begründung ablehnen, der Auftraggeber habe sich zunächst an die Kanzlei xy zu wenden, die oft pro bono-Tätigkeiten anbietet.

 

Rz. 18

Die Erteilung von Beratungshilfe nicht für ein konkretes Anliegen, sondern vielmehr unter Verwendung von Autotexten ist nach Ansicht des AG Pankow-Weißensee nicht zulässig.[9] Die Inanspruchnahme der Beratungshilfe kann nach Ansicht des AG Hanau zudem mutwillig sein, wenn der drohende Schaden deutlich unter den Kosten des Verfahrensbevollmächtigten liegt und ein Antragsteller trotz eines einfachen Sachverhalts nicht eigeninitiativ tätig war.[10]

 

Rz. 19

Andere Hilfsmöglichkeiten können z.B. kostenfreie Beratungs- und Unterstützungsleisten der Jugendämter sein, ...

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