Rz. 4

Das Arbeitsrecht verfügt als Teil des Zivilrechts über eigene internationale Kollisionsregeln. Die zentralen Regelungen sind für Altfälle in den Art. 30, 27 und 34 EGBGB und für ab dem 17.12.2009 geschlossenen Verträge in den Art. 3, 8 und 9 der europäischen Rom I-VO geregelt.

 

Rz. 5

Anknüpfungspunkt für das objektiv auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht ist grundsätzlich der gewöhnliche Arbeitsort (vgl. Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO). Wird der Arbeitnehmer gewöhnlich in ein und demselben Staat eingesetzt, bleibt materiell das inländische Recht anwendbar, selbst wenn der Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland entsandt wird. Eine zeitliche Obergrenze gibt das Gesetz nicht an (hierzu EuGH v. 15.3.2011 – C-29/10 – Rs. Koelzsch, mit Anm. Boemke, jurisPR-ArbR 21/2011 Anm. 1).

 

Rz. 6

Eine weitere Regel besagt, dass dann, wenn der Arbeitnehmer vertraglich gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat eingesetzt wird, das Recht der ihn einstellenden Niederlassung gilt (vgl. Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO; hierzu (EuGH v. 15.12.2011 – C-384/10 – Rs. Voogsgeerd, mit Anm. Gräf, jurisPR-ArbR 41/2013 Anm. 2).

 

Rz. 7

Weiterhin existiert die Ausweichklausel, die besagt, dass sich aus den Gesamtumständen ergeben kann, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat als dem des gewöhnlichen Arbeitsortes oder dem der einstellenden Niederlassung hat und dass daher das Recht dieses Staates gelten soll (vgl. Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO).

 

Rz. 8

Aufgrund dieser Grundregeln gibt es zwar viele – auf den ersten Blick – eindeutige Rechtsanknüpfungen, jedoch sind die schwierig abzugrenzenden Fälle weit verbreitet. Ob z.B. ein Arbeitnehmer mit einem unbefristeten inländischen Vertrag, der ihn zu Dienstreisen auch ins Ausland verpflichtet, und der tatsächlich kontinuierlich Dienstreisen von kurzer Dauer ins Ausland unternimmt, einen noch gewöhnlichen Arbeitsort im Inland hat oder bereits zu den Mehrstaaten-Arbeitnehmern gehört, ist im Einzelfall durch die Gerichte festzustellen. Dies begründet für all diese Fälle ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Weitere Rechtsunsicherheit begründet zudem die Ausweichklausel, wie einige Verfahren aufzeigen: vgl. LAG Baden-Württemberg v. 15.10.2002 – 11 Sa 49/02; nachfolgend bestätigt durch das BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 627/02; LAG Hessen v. 13.11.2006 – 17 Sa 816/06; nachfolgend BAG v. 13.11.2007 – 9 AZR 134/07, Aufhebung und Zurückverweisung wegen nicht hinreichender Klärung, ob – nicht doch – deutsches Recht anwendbar ist; daraufhin erneut LAG Hessen v. 25.8.2008 – 17 Sa 570/08.

 

Rz. 9

Nach den vorgenannten Entscheidungen helfen folgende Indizien dabei, das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht festzustellen: die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, der Sitz des Arbeitgebers, der Wohnort des Arbeitnehmers und die Unterwerfung des Vertrags unter einen bestimmten Gerichtsstand. Ergänzend zu berücksichtigen sind die Vertragssprache und die Währung, in der die Vergütung gezahlt wird. Ein weiteres Indiz ist die Disziplinargewalt des Arbeitgebers in Bezug auf Abmahnungen und Kündigungen. Nicht entscheidend hingegen ist danach, zu welchem Staat der Arbeitnehmer engere Bindungen unterhält, sondern nur, zu welchem Staat der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen aufweist.

 

Rz. 10

Der EuGH hat in den letzten Jahren wichtige Entscheidungen zu Art. 8 Rom I-VO gefällt. Betreffend die Bedeutung und Reichweite der Ausweichklausel in Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO ist die Rechtssache Schlecker zu nennen (EuGH v. 12.9.2013 – C-64/12, mit Anm. Mauer, jurisPR-ArbR 11/2014, Anm. 2). In dieser Entscheidung kam es weniger auf die zuvor genannten Indizien an, sondern primär auf die Abgabepflichten in Bezug auf den Lohn des Arbeitnehmers. Entscheidend für die Schwerpunktbestimmung des Arbeitsverhältnisses sei, wo der Arbeitnehmer Steuern auf seinen Lohn zahlt und wo in die Sozialversicherung eingezahlt wird. Weiterhin seien die Grundlagen für die Gehaltsfindung und die weiteren Arbeitsvertragselemente von Relevanz.

 

Rz. 11

Ein weiterer wichtiger Bereich wird durch Eingriffsnormen reguliert. Dies sind Normen, die ein Staat für unabdingbar hält und die unabhängig von dem Vertragsstatut die arbeitsrechtlichen Beziehungen regeln (Art. 9 Rom I-VO). Die Eingriffsnormen gelten also vorrangig vor dem Vertragsstatut sowohl im Fall der objektiven Anknüpfung als auch bei der Rechtswahl der Parteien. Eingriffsnormen sind z.B. zwingende Vorschriften des Arbeitnehmerschutzrechts wie die Regeln zu Höchstarbeitszeiten, das Verbot von Sonn- und Feiertagsarbeit und bestimmte Vorschriften zum Mutterschutzrecht – nicht jedoch die allgemeinen Vorschriften des KSchG (i.E. AnwK-ArbR/Mauer, Art. 34 EGBGB Rn 1 ff.).

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