Rz. 1

Zweck des am 26.2.1996 verabschiedeten "Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen – AEntG" (BGBl I, S. 2787) war es, die auf deutschem Boden zwingend geltenden Arbeitsbedingungen im Bereich der Bauwirtschaft sowie anderer im Gesetz aufgeführter Gewerbe, die als sozialen Mindestschutz auf die Geltung der inländischen Tarifverträge angewiesen sind, auf grenzüberschreitende Entsendefälle vom Ausland in die BRD hinein anzuwenden. Nach Erlass des deutschen AEntG folgte die europäische Entsende-RL v. 16.12.1996 (RL 96/71/EG, Abl EG Nr. L 18, 1 v. 21.1.1997), die jedoch hinter den deutschen Forderungen zurückblieb.

 

Rz. 2

Durch die am 24.4.2009 in Kraft getretene Neufassung (BGBl I, 799) wird klargestellt, dass neben den Entsendefällen auch die regelmäßig im Inland beschäftigten Arbeitnehmer erfasst sind. Derzeit werden neben der Baubranche das Gebäudereinigerhandwerk, Briefdienstleistungen, Sicherheitsdienstleistungen, Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken, Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft, Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst, Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Sozialgesetzbuch sowie das Schlachten und die Fleischverarbeitung erfasst (§ 4 Abs. 1 AEntG). Der Anwendungsbereich erstreckt sich darüber hinaus auf Tarifverträge aller anderen als der in § 4 Abs. 1 AEntG genannten Branchen, wenn die Erstreckung der Rechtsnormen des Tarifvertrages im öffentlichen Interesse geboten erscheint, um die in § 1 AEntG genannten Gesetzesziele zu erreichen und dabei insbesondere einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegenzuwirken (§ 4 Abs. 2 AEntG). Auch der Pflegedienst wird gem. § 10 AEntG erfasst. Die auf nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer zwingend anzuwendenden Arbeitsbedingungen listet § 2 AEntG auf. Dazu gehört auch die Entlohnung, sodass der Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz – MiLoG v. 11.8.2014 (BGBl I, 1348) die Untergrenze bildet.

 

Rz. 3

Notwendig wurde die gesetzliche Regelung aufgrund der bis dahin geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und der insb. in der Bauwirtschaft vorzufinden Wettbewerbssituation. Traditionell waren innerhalb Deutschlands zahlreiche tarifvertragliche Regelungen des Bauhauptgewerbes für allgemeinverbindlich erklärt. Dies führte flächendeckend zu einer Anwendung der Tarifverträge im Bauhauptgewerbe, insb. in den kostenrelevanten Bereichen des Lohnes und der Urlaubsregelungen. Zu massiven Wettbewerbsverzerrungen kam es sodann durch Entsendungen von Baukolonnen aus dem europäischen Ausland nach Deutschland. Da die inländischen Tarifverträge auch im Fall der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) nicht als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Rom I-VO (vormals Art. 34 EGBGB) gelten, konnte durch die Entsendungen eine Anwendung des Vertragsrechtes der Entsendestaaten gem. Art. 8 Abs. 2 bis 4 Rom I-VO (vormals Art. 30 Abs. 2 EGBGB) ermöglicht werden. Die auf dem Europäischen Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) basierenden Kollisionsnormen konnten nicht dahin gehend abgeändert werden, dass dieser Effekt bei Inbound-Entsendungen, also Entsendungen nach Deutschland, entfiel. Nach Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO (vormals Art. 30 Abs. 2 EGBGB) gilt objektiv das Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes, der auch bei einer vorübergehenden Entsendung ins Ausland im Heimatstaat bleibt. Gleichartige Regelungen in den Herkunftsstaaten machten sich die Wettbewerber zunutze und entsandten auf Basis günstiger heimischer Konditionen die Bautrupps nach Deutschland. Dies führte unmittelbar dazu, dass die ausländischen Baukolonnen im Inland zu sog. Billig-Tarifen eingesetzt werden konnten, was zu einer Verdrängung der inländischen Bauwirtschaft auf dem Heimatmarkt führte (v. Danwitz, EuZW 2002, 237; Junker, JZ 2005, 481).

 

Rz. 4

Aufgrund der vorstehend geschilderten Situation war daher rechtstechnisch eine Erhebung der tarifvertraglichen Normen in den Status von Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Rom I-VO (vormals Art. 34 EGBGB) erforderlich (vgl. AnwK-ArbR/Mauer, Art. 34 EGBGB Rn 6; Knöfel, RdA 2006, 269, 275; BAG v. 28.9.2005 – 10 AZR 28/05; BAG v. 21.11.2007 – 10 AZR 782/06). Daher ordnete sowohl § 7 AEntG a.F. wie auch Art. 3 Abs. 1 RL 96/71/EG genau diese Wirkung an (EuGH v. 18.12.2007 – C-341/05). In den neu gefassten Gesetzesfassungen kommt dieser Wille noch stärker zum Ausdruck, §§ 3, 20 MiLoG und § 8 AEntG.

 

Rz. 5

Regelungstechnisch stellte das zunächst bis zum 1.9.1999 befristete, seit dem 1.1.1999 jedoch ohne zeitliche Einschränkung geltende AEntG a.F. eine Rahmenregelung dar, die der – zwischenzeitlich erfolgten – Ausfüllung durch die Tarifvertragsparteien bedurfte. In seinem Kern erstreckte das Gesetz ursprünglich bereits bestehende oder noch zu schaffende tarifliche Regelungen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes sowie später des Gebäudereinigerhandwerks und der Briefzustelldienstleister auf ausländische Arbeitgeber und ihre auf deutschem Boden tätigen Arbeitnehmer und erklärt ...

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