I. Rechtliche Einordnung
1. Kein Verwaltungsakt
Rz. 65
Die Anordnung der MPU ist nach umstrittener, aber herrschender Meinung in der Rechtsprechung (siehe oben Rdn 53) als lediglich vorbereitende Maßnahme kein Verwaltungsakt, so dass ein isolierter Rechtsschutz gegen die Anordnung nicht besteht. Die Anordnung selbst kann deshalb nur gemeinsam mit der nachfolgenden Maßnahme der Führerscheinbehörde gerichtlich angegriffen werden (BVerwG DAR 2017, 410).
2. Kostenschuldner
Rz. 66
Auftraggeber (und damit auch Kostenschuldner) ist der Betroffene. Er schließt mit dem Untersuchungsinstitut einen Werkvertrag mit den üblichen Rechten und Pflichten ab. In der Konsequenz haftet die Untersuchungsstelle dann auch für ein fehlerhaftes Gutachten (LG Bautzen NZV 1999, 474).
Rz. 67
Achtung: Schweigepflicht
Der Gutachter steht – solange er von seinem Auftraggeber hiervon nicht entbunden ist – unter Schweigepflicht. Er darf deshalb ohne Einverständnis des Betroffenen das Gutachten nicht an Dritte, namentlich nicht an die Fahrerlaubnisbehörde, weiterleiten. Von einer Entbindung des Gutachters sollte jedoch abgeraten werden, da anderenfalls ein eventuell negatives Gutachten der Verwaltungsbehörde unmittelbar zugeht und Aktenbestandteil wird. Das nimmt dem Betroffenen die Chance, sich entweder nochmals von einer anderen Stelle begutachten zu lassen, oder auch die Möglichkeit, seinen Antrag zurückzunehmen, um zu vermeiden, dass das negative Gutachten zu den Behördenakten gelangt.
II. Gutachtenstelle
Rz. 68
Die Gutachtenstelle für Fahreignung bedarf der amtlichen Anerkennung durch die Landesbehörde (§ 66 Abs. 1 FeV). Die Mitarbeiter werden mit der Bestellung aber keine Amtsträger (BGH DAR 2009, 707).
Unter welchen Voraussetzungen eine derartige Anerkennung zu erteilen ist, ist in der Anlage 14 zu § 66 Abs. 2 FeV geregelt.
Rz. 69
Die dort vorgesehene Bedürfnisprüfung ist allerdings verfassungsrechtlich bedenklich (OVG des Saarlandes NZV 1999, 267; VGH Bad.-Württ. zfs 1999, 360). Nach Auffassung des BVerwG (DAR 2000, 489) entbehrt § 66 Abs. 2 FeV jedenfalls insoweit einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Im Endergebnis würden durch die in § 66 Abs. 2 FeV getroffene Regelung Private von der Begutachtung praktisch ausgeschlossen (zu Privaten siehe VG Ansbach DAR 1992, 352; BVerfG zfs 1993, 285).[10]
III. Tipp: Freie Wahl
Rz. 70
Der Betroffene kann die Gutachtenstelle frei wählen (OVG Hamburg NZV 2000, 348; VG Oldenburg zfs 2010, 179), die Behörde kann sie ihm nicht vorschreiben. Sie ist vielmehr gem. § 11 Abs. 6 S. 2 FeV verpflichtet, dem Betroffenen die für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen namhaft zu machen (BayVGH zfs 2018, 592).
Er muss die Verwaltungsbehörde allerdings unterrichten, welche Stelle er beauftragt hat (§ 11 Abs. 6 S. 3 FeV).
Rz. 71
Tipp
Anschriften der amtlich anerkannten Untersuchungsstellen finden sich bei Bode/Winkler.[11]
IV. Übersendung der Führerscheinakte durch die Verwaltungsbehörde
Rz. 72
Tipp: Einsichtsrecht des Betroffenen
Die Verwaltungsbehörde muss gem. § 11 Abs. 6 S. 2 Hs. 2 FeV den Betroffenen darauf hinweisen, dass er die an den Gutachter zu übersendenden Unterlagen einsehen kann. Hat sie das versäumt, kann sie aus der Weigerung des Betroffenen, ein Gutachten beizubringen, keinen nachteiligen Schluss ziehen (BVerwG zfs 2017, 474).
Rz. 73
Achtung: Ohne tilgungsreife Eintragungen
Zwar gilt der Grundsatz der Vollständigkeit der an den Gutachter zu übersendenden Führerscheinakte, gleichwohl sind tilgungsreife Eintragungen ebenso aus der Akte zu entfernen, wie die mit ihnen zusammenhängenden Gutachten und Korrespondenz (VG Darmstadt zfs 2003, 526).
V. Untersuchungsablauf
Rz. 74
Die MPU besteht aus einem medizinischen Teil, in dem ein Arzt den Probanden auf körperliche Mängel, Krankheiten und Suchtanzeichen, wie z.B. erhöhte Gamma-GT-Werte oder Alkoholmarker im Blut, untersucht, sowie einem psychologischen Teil, in dem ein Verkehrspsychologe durch Befragung und psychologische Tests die Verkehrstauglichkeit bzw. die Rückfallgefährdung des Probanden eruieren will.
Rz. 75
Die Grundsätze für die Durchführung der Untersuchung und die Erstellung der Gutachten sind jetzt in der Anlage 15 zu § 11 Abs. 5 FeV festgelegt. Insbesondere ist das Gutachten so zu erstellen, dass es auch für den Betroffenen nachprüfbar und nachvollziehbar ist. Diese Voraussetzung erfüllt z.B. ein Gutachten nicht, das zu 50 % aus Textbausteinen besteht (VG Freiburg zfs 1995, 160). Ein Gutachten, das zur Frage der bedingten Eignung nicht Stellung nimmt, ist unvollständig (OVG Koblenz DAR 1998, 474).[12]
Rz. 76
Insbesondere ist die Untersuchung anlassbezogen und unter Verwendung der von der Fahrerlaubnisbehörde überlassenen Unterlagen vorzunehmen. Der Gutachter hat sich an die vorgegebene Fragestellung zu halten. Gegenstand der Untersuchung dürfen nur solche Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen sein, die für die Kraftfahreignung von Relevanz sind. Vor der Untersuchung muss der Gutachter den Betroffenen über Gegenstand und Zweck der Untersuchung aufklären. Er muss über die Untersuchung Aufzeichnungen anfertigen. Die immer wieder erhobene Forderun...
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