Rz. 36

Weder der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters führen zu einer Nicht- oder nur eingeschränkten Anwendung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB (BAG v. 21.2.1990 – 5 AZR 160/89, KTS 1990, 515 = MDR 1990, 852 = NZA 1990, 567 = ZIP 1990, 662). § 613a BGB findet im Insolvenzeröffnungsverfahren uneingeschränkt Anwendung. Dementsprechend gilt bei einer vom vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommenen Betriebs(teil)veräußerung auch das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB, und zwar ohne die Beweiserleichterungen des § 128 Abs. 2 InsO, die erst nach Verfahrenseröffnung zum Tragen kommen (Berscheid, in: FS Hanau, S. 701, 729; ders., S. 158 Rn 510; Schaub, DB 1999, 217, 225; Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 92).

 

Rz. 37

Ob der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist (§ 22 Abs. 1 S. 1 InsO), den Betrieb oder einzelne Betriebsteile überhaupt veräußern darf, erscheint zwar angesichts der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO, die nur auf die Stilllegung abstellt, zweifelhaft. Auch die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO, wonach der vorläufige Insolvenzverwalter das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten hat, könnte gegen die Befugnis zur Betriebsveräußerung sprechen. Im Ergebnis kommt die Veräußerung des gesamten Unternehmens einer Stilllegung nahe, sodass der vorläufige Insolvenzverwalter sein Handeln durch eine Zustimmung des Insolvenzgerichtes analog § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO absichern lassen sollte. Bei einer Betriebsteilveräußerung gelten die zur Betriebsteilstilllegung entwickelten Grundsätze entsprechend, sodass hier keine Zustimmung des Insolvenzgerichtes erforderlich ist.

 

Rz. 38

Zu beachten ist, dass man hinsichtlich der Folgen einer solchen, evtl. unzulässigen Verwertung durch Betriebs(teil)veräußerung grds. zwischen dem, was der vorläufige Insolvenzverwalter im Außenverhältnis bewirken kann, und dem, was er im Innenverhältnis tun darf, unterscheiden muss (Kirchhof, ZInsO 1999, 436, 438; Berscheid, NZI 2000, 1, 5; Uhlenbruck/Berscheid, § 22 InsO Rn 79). Da ihm mit Wirkung ggü. Dritten die volle Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen ist, ist eine Betriebs(teil)veräußerung im Außenverhältnis wirksam. Die Sanktion für zu weitgehendes Handeln ist allein eine Schadensersatzpflicht im Innenverhältnis, welche ggf. der endgültige Insolvenzverwalter gegen den (abgelösten) vorläufigen Insolvenzverwalter realisieren muss. Die Gerichte für Arbeitssachen sind auf die Prüfung von Verstößen gegen § 613a Abs. 4 S. 1 BGB beschränkt, dürfen also die unternehmerische Entscheidung, den Betrieb oder Betriebsteil zu veräußern, (weiterhin) nicht in Zweifel ziehen (Berscheid, NZI 2000, 1, 4; Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 92).

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