Rz. 30

Zur Durchsetzung einer Entscheidung über die Herausgabe eines Kindes sowie die Regelung des Umganges sieht das Gesetz als Ordnungsmittel

die Festsetzung von Ordnungsgeld (§ 89 Abs. 1 S. 1 Fall 1 FamFG),
die Anordnung von Ordnungshaft (§ 89 Abs. 1 S. 1 Fall 2 FamFG) und
die Anwendung unmittelbaren Zwangs (§ 90 FamFG)

vor (Antragsmuster im Formularteil, siehe § 13 Rdn 32 f.).

 

Rz. 31

Im Zuge des FGG-RG hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen die bislang möglichen Zwangsmittel und stattdessen für Ordnungsmittel entschieden. Diese können auch noch nach zeitlichem Verstreichen der Verpflichtung (z.B. verweigerte Herausgabe des Kindes an Feiertagen) festgesetzt und vollstreckt werden. Diese Möglichkeit flankiert die insgesamt angestrebte schnellere und effektivere Vollstreckung von Herausgabe- und Umgangsrechtsentscheidungen. Zudem findet keine separate Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen mehr statt und auch Einigungsversuche der Eltern im Rahmen eines Vermittlungsverfahrens nach § 165 FamFG stehen der Vollstreckung nicht entgegen.

I. Verhältnismäßigkeit

 

Rz. 32

Bei der Auswahl der in Betracht kommenden Ordnungsmittel hat das Gericht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Vorrangiges Ordnungsmittel ist daher grundsätzlich das Ordnungsgeld, da es gegenüber Ordnungshaft und unmittelbarem Zwang das mildere Mittel ist.

II. Ordnungsgeld

1. Zielrichtung

 

Rz. 33

Wird einem bestehenden Vollstreckungstitel, der auf die Herausgabe eines Kindes oder die Umsetzung einer Umgangsregelung gerichtet ist, zuwider gehandelt, so kann das Familiengericht die Nichtbefolgung durch Festsetzung eines Ordnungsgeldes ahnden. Im Gegensatz zur bislang geltenden Gesetzeslage bedarf es keiner zwischengeschalteten Androhung mehr. Anstelle der Androhung ist die Ankündigung der Folgen der Zuwiderhandlung bereits in dem Herausgabe- oder Umgangstitel eingeführt worden (§ 89 Abs. 2 FamFG).[106]

 

Rz. 34

Stellt das Gericht eine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel fest, so "kann" es ein Ordnungsmittel verhängen. Mit dem insoweit dem Gericht eingeräumten Ermessen wollte der Gesetzgeber[107] dem Urteil des BVerfG vom 1.4.2008 Rechnung tragen, wonach der unwillige Elternteil nicht zwangsweise zur Ausübung des Umgangs mit seinem Kind verpflichtet werden kann, es sei denn, es liegen im konkreten Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der erzwungene Umgang dem Kindeswohl dient.[108] Es ist zu bedauern, dass der Gesetzgeber es nicht bei der im Entwurf zum FGG-RG vorgesehenen Soll-Vorschrift belassen hat, was auch verfassungsrechtlich unbedenklich gewesen wäre. Denn der BVerfG-Entscheidung vom 1.4.2008 lag gerade eine atypische Konstellation zugrunde, so dass auch eine Soll-Vorschrift verfassungskonformer Auslegung zugänglich gewesen wäre.[109] Abgesehen davon ist sehr zu begrüßen, dass sich der Gesetzgeber in Abkehr von den bisherigen Zwangsmittel, die lediglich Beugemittel waren, nun für Ordnungsmittel entschieden hat, die repressive und generalpräventive Elemente besitzen.[110] Auf erster Stufe kommt dabei die Festsetzung eines Ordnungsgelds in Betracht.

[106] Siehe dazu auch BGH, Beschl. v. 3.8.2016 – XII ZB 86/15, juris.
[107] BT-Drucks 16/9733, S. 291 f.
[108] BVerfG FamRZ 2008, 845; Anm. Völker, FamRB 2008, 174; Anm. Clausius, jurisPR-FamR 14/2008, Anm. 1; Zempel, AnwZert FamR 9/2008, Anm. 3; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 403.
[109] Kemper/Schreiber/Völker/Clausius/Wagner, § 89 Rn 9.

2. Höhe des Ordnungsgeldes

 

Rz. 35

Bei der Höhe des anzuordnenden Ordnungsgeldes hat der Gesetzgeber die bislang geltende ­Regelung des § 33 Abs. 3 FGG übernommen; das Ordnungsgeld darf einen Betrag von 25.000 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung nicht übersteigen, wobei die Höhe im Ermessen des Gerichts steht.[111] Maßgebend für die Ermessensentscheidung sind die Einzelfallumstände, insbesondere Schwere und Ausmaß der Verletzungshandlung, deren Folgen für den Berechtigten, zeitlicher Umfang des Verstoßes, Grad des Verschuldens des Verpflichteten, spezialpräventive Aspekte (was ist erforderlich, damit der Verpflichtete sich künftig titelkonform verhält?) sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten.[112] Das Ordnungsgeld darf, insbesondere wegen der mit ihm auch bezweckten Beugewirkung, nicht zu niedrig sein;[113] zugleich muss es verhältnismäßig bleiben. Lebt der Verpflichtete etwa von Sozialleistungen, so sollte das einzelne Ordnungsgeld den ihm zustehenden monatlichen Regelsatz (ohne Mietkosten) in der Regel nicht übersteigen.[114] Selbstredend rechtfertigte eine weitgehende Mittellosigkeit des Verpflichteten nicht, von der Ordnungsgeldverhängung abzusehen.[115]

[111] BGH NJW 2004, 506; OLG Zweibrücken OLGR 2003, 410.
[112] OLG Saarbrücken FamRZ 2011, 589; 2013, 48; OLG Köln FamRZ 2015, 163; OLG Jena, Beschl. v. 24.3.2015 – 1 WF 60/15, juris.
[113] EuGHMR FamRZ 2015, 469;
[114] KG, Beschl. v. 17.6.2015 – 18 WF 136/14, juris.
[115] OLG Koblenz FamRZ 2016, 1104.

3. Verfahrensablauf

 

Rz. 36

Die früher in § 33 Abs. 3 S. 1 FGG vorgesehene Androhung des Zwangsmittels ist weggefallen, um den hiermit in d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge