Rz. 76

Das Kind ist häufig verängstigt, auch durch das Verhalten seiner Obhutsperson. Der Abbruch eines Vollstreckungsversuchs ist gerade für das Kind ein Pyrrhussieg und für dieses besonders belastend; denn es hat den nächsten Versuch zu erwarten; daher wird meist ein Ende mit Schrecken dem Schrecken ohne Ende vorzuziehen sein. Ansonsten "lernt" das – größere – Kind zudem, dass der Rechtsstaat, hat man nur genug Beharrungsvermögen, die Waffen streckt – ein fragwürdiger erzieherischer Effekt. Zu fragen ist auch, ob es für ein Kind mittelfristig (!) hilfreich ist, von einem Elternteil erzogen zu werden, der sich staatlichen Anordnungen offen widersetzt? Denn dieser – und nicht der die Vollstreckung betreibende Elternteil – mutet doch dem Kind gerade die Vollstreckung zu, anstatt sich rechtstreu zu verhalten und es einfach freiwillig herauszugeben. Die oberste Maxime bleibt freilich auch hier das Kindeswohl. Gewisse Belastungen gehören zum Erwachsenwerden dazu; fraglich ist, wie hoch die Belastung des Kindes durch die Vollstreckung werden darf. Hier ist in jedem Einzelfall die kurzfristig ggf. erhebliche Belastung des Kindes gegen die Aussicht mittel- und langfristiger Entlastung des Kindes abzuwägen. Bei älteren Kindern ab etwa 12, sicher aber ab 14 Jahren macht die Brechung ihres festgefügten Willens durch Gewalt – außer, ihre Willenshaltung gefährdet ihr Wohl – wenig Sinn, zumal sie altersbedingt ohnehin wieder leicht ausbüchsen können.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge