a) Allgemeine Sterbetafel

 

Rz. 65

Vom Statistischen Bundesamt werden in Deutschland in regelmäßigen Abständen sog. "Allgemeine oder abgekürzte Sterbetafeln für die Bundesrepublik Deutschland" ermittelt und veröffentlicht. Diese berücksichtigen die gesamte deutsche Bevölkerung der Bundesrepublik, und zwar alle Bevölkerungsgruppen ohne irgendwelche Differenzierungen (beispielsweise nach Beruf, Wohnort und Familienstand). Unterschieden wird ausschließlich nach dem Geschlecht (Mann, Frau).

 

Rz. 66

Seit der Sterbetafel 1871/1881 sind für die deutsche Bevölkerung aufgrund von Volkszählungen bis zur bislang letzten 1986/1988 (Volkszählungsjahr 1987) insgesamt 11 "Allgemeine Deutsche Sterbetafeln" ermittelt worden.[32] Aus diesen wurden dann vom Statistischen Bundesamt neue Sterbetafeln nach akademischen Grundsätzen weiterentwickelt (z.B. die Sterbetafel 1995/1997, Sterbetafel 2013/2015; siehe Rdn 92 ff.).

 

Rz. 67

Allgemeine Sterbetafeln werden jeweils im Anschluss an eine Volkszählung für einen 3-Jahres-Zeitraum erstellt und bis zu einer Altersstufe von 100 Jahren veröffentlicht. Sie sind durch mathematisch-statistische Verfahren von Zufallsschwankungen und Kohorteneffekten bereinigt.[33]

[32] Eisenmenger, Sterbetafel 2001/2003, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 2005, 463 (463).
[33] Eisenmenger, Sterbetafel 2001/2003, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 2005, 463 (464).

b) Abgekürzte Sterbetafel

 

Rz. 68

Abgekürzte Sterbetafeln werden seit 1957 jährlich für einen 3-Jahres-Durchschnitt berechnet und bilden die Entwicklung in der Zeit zwischen den Volkszählungen ab. Im Gegensatz zu den allgemeinen Sterbetafeln enden sie mit der Altersstufe von 90 Jahren; auch werden die Sterbewahrscheinlichkeiten nicht ausgeglichen.

 

Rz. 69

Abgekürzte Sterbetafeln werden mit dem zeitlichen Abstand zu einer Volkszählung immer ungenauer.[34] Im Hinblick auf die steigende Lebenserwartung werden seit der Sterbetafel 2000/2002 Altersjahre bis 100 ausgewiesen; daher entfällt seither der Zusatz "abgekürzt" in der Bezeichnung der jüngeren Sterbetafeln.

[34] Eisenmenger, Sterbetafel 2001/2003, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 2005, 463 (464).

c) Alte und neue Bundesländer

 

Rz. 70

Die Unterschiede in der Lebenserwartung im früheren Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einerseits und den neuen Bundesländern andererseits haben sich mittlerweile angeglichen.[35]

 

Rz. 71

Siehe zur Versterblichkeit im Bundesländer-Vergleich Rdn 106 ff.

[35] Eisenmenger, Sterbetafel 2001/2003, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 2005, 463 (469 f.).

d) Spezielle Sterbetafel

 

Rz. 72

Aufgrund von Volkszählungen existieren weitere spezielle Sterbetafeln, die Ergebnisse nach besonderen Kriterien ausweisen und vor allem bevölkerungswissenschaftlichen Zwecken dienen. Diese speziellen Tafeln können bei der Schadenregulierung jedoch wegen ihrer anderweitigen Zielrichtung nicht herangezogen werden.

 

Rz. 73

Die von Lebensversicherungsunternehmen für private Rentenversicherungsverträge zugrunde gelegten Tabellen (z.B. DAV HUR 1994R, DAV HUR 2004R) sind auf die Schadenregulierung nicht übertragbar, da hier spezielle (auch hinsichtlich der Auslese des ausgewerteten Personenkreises), eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegende, Bevölkerungsschichten der Betrachtung unterworfen wurden, die eine von der allgemeinen Lebenserwartung abweichende Sterblichkeit besitzen.[36] Gleiches gilt für Tafeln der privaten Krankenversicherung, die regelmäßig auf den jüngsten Stand gebracht werden.[37]

 

Rz. 74

Die BaFin[38] hält es für angezeigt, (nur) bei Deckungsrückstellungen für Rentenleistungen aus der Haftpflicht- und Unfallversicherung die Sterbetafel HUR 2004R zu berücksichtigen, um jegliches bilanzielles Risiko aufzufangen.

 

Rz. 75

Spezielle Tafeln für Transgender und gleichgeschlechtliche Partnerschaften ("verbundene Leben") existieren bislang nicht.

[36] Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage, BT-Drucks 13/6692 v. 10.1.1997; DAV-Mitteilung Nr. 4 v. 21.2.1995, S. 10; Eisenmenger, Sterbetafel 2001/2003, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 2005, 463 (464); Lust/Trautvetter, Die Sterblichkeit verbessert sich schneller als in der DAV-Tafel berücksichtigt, Versicherungswirtschaft 2003, 1791.
[37] BAV-Mitteilung Nr. II-O 22 – A – 110 VerBAV 2000, 171. PKV-Sterbetafel 2001 ist z.B. abgedr. NVersZ 2000, 508. Siehe ergänzend https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Statistik/PKV/dl_st_2018_sterbetafel_va.html.
[38] VerBaFin Januar 2006 (Nr. 1), 5 f.; VerBaFin August 2005 (Nr. 8), 3; VerBaFin Januar 2005 (Nr. 8), 4.

e) Durchschnittliche Lebenserwartung – restliche Lebenserwartung

 

Rz. 76

Die durchschnittliche Lebenserwartung ist für die Kapitalisierung unbrauchbar: Nach der Sterbetafel 2013/2015 beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes rund 78 Jahre; ein 82-jähriger Anspruchsteller müsste danach also noch Geld herauszahlen. Abzustellen ist stets auf das konkret bereits erreichte Lebensalter und die sich hieraus dann ergebende durchschnittliche Restlebensdauer, die von einer durchschnittlichen Lebensdauer ganz erheblich abweichen kann.

 

Rz. 77

Eine Sterbetafel gibt die statistische Res...

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