Rz. 145

Der Rücktritt wird mit Zugang der entsprechenden Erklärung gem. § 349 BGB wirksam. Die Wirkungen des Rücktritts ergeben sich aus §§ 346350 BGB. Nach § 346 Abs. 1 BGB sind die gegenseitig empfangenen Leistungen Zug um Zug in Natur zurückzugewähren. Der Käufer hat das Fahrzeug einschließlich der Papiere zurückzugeben, der Verkäufer den Kaufpreis, für den keine Umsatzsteuer anfällt, zurückzuzahlen.

 

Rz. 146

Zusätzlich sind nach § 346 Abs. 1 BGB die in der Zeit vor und nach der Rücktrittserklärung tatsächlich gezogenen Nutzungen herauszugeben.[230] Da die Gebrauchsvorteile in einem möglichen Zeitgewinn und Mobilität liegen und diesen Faktoren ein wirtschaftlich messbarer Wert zukommt, hat der Käufer dem Verkäufer ihren Wert zu vergüten.[231]

 

Rz. 147

Der BGH hat mit Urt. v. 16.9.2009 entschieden, dass der Käufer nach dem Rücktritt vom Kaufvertrag Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs zu leisten hat. Dieser auch bei einem Verbrauchsgüterkauf bestehende Anspruch des Verkäufers folgt aus § 346 BGB.[232]

Zu Recht war hier der BGH der Auffassung, dass die Entscheidung des EuGH vom 17.4.2008[233] dem nicht entgegen steht. Der EuGH hatte damals über die Vorabentscheidungsersuchen des VIII. Senats des BGH zu befinden. Hier ging es um Frage, ob Nutzungswertersatz geleistet werden muss, wenn der Verbraucher Ersatzlieferung verlangt. Dies wurde verneint. Die Entscheidung hat aber keinen Einfluss auf den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der BGH stellt als Begründung zu Recht heraus, dass der Käufer bei Rückabwicklung des Vertrages, anders als bei der Ersatzlieferung, den Kaufpreis nebst Zinsen zurück erhält.[234]

 

Rz. 148

Das Prinzip des Nutzungsersatzanspruchs und die Berechnung der entsprechenden Gebrauchsvorteile ist nach wie vor beibehalten worden. Da der Wert der zeitweiligen Benutzung nicht exakt messbar ist, wird die Höhe nach § 287 ZPO geschätzt auf Grundlage einer anteiligen linearen Abschreibung. Bei der Ermittlung der Gebrauchsvorteile durch die Nutzung eines Pkw ist die eingetretene Wertminderung nicht vollständig zu berücksichtigen, sondern nur in Höhe der dem Käufer tatsächlich zugeflossenen Gebrauchsvorteile. Unbeachtet bleibt die Wertminderung von etwa 20 %, die unabhängig von einer Nutzung bereits allein durch die Erstzulassung des Pkw eintritt und zur Einbuße der Neuwageneigenschaft führt, ebenso der Wertverlust durch marktbedingten Preisverfall. Diese ist nicht dem Käufer, sondern dem Verkäufer aufzuerlegen, da regelmäßig der Verkäufer die Fahrzeugrückgabe durch Lieferung einer mangelhaften Sache zu verantworten hat.[235]

 

Rz. 149

Die Höhe des Nutzungsersatzanspruchs berechnet sich aus dem Bruttokaufpreis einschließlich Umsatzsteuer, der um einen etwaigen Minderungsbetrag wegen eines Mangels[236] gekürzt und durch die voraussichtliche Gesamtnutzungsdauer geteilt wird. Der sich ergebende Wert wird wiederum mit der tatsächlichen Nutzungszeit multipliziert.[237] Die Gesamtfahrleistung ist abhängig von der Fahrzeugklasse und angepasst an den Stand der technischen Entwicklung anzusetzen. So wird für einen Wagen der gehobenen Mittelklasse als Gesamtfahrleistung ein Wert von ca. 250.000 km[238] angenommen, aufgrund des hohen technischen und qualitativen Standards, im Gegensatz zu den vormals dafür veranschlagten 150.000 km.[239]

 

Rz. 150

 

Praxistipp

Gerade bei einer hohen Laufleistung lohnt es sich, eine Gesamtlaufleistung zwischen 250.000 und 300.000 km anzunehmen und konkret für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp unter Sachverständigenbeweis zu stellen.

 

Rz. 151

Die Nutzungsausfalltabelle SchwackeListe, Nutzungsausfallentschädigung, gültig bis Dezember 2006, findet hier keine Anwendung, da sie für das Schadenrecht konzipiert ist, dass den Nachteil ausgleichen will, der durch den Entzug des Wagens eingetreten ist und nicht den erwachsenen Vorteil durch die tatsächliche Nutzung.

 

Rz. 152

Der Nutzungsersatz ist auch zu zahlen, wenn der Verkäufer die Rücknahme des Fahrzeugs und die Rückzahlung des Kaufpreises ablehnt und dadurch den Käufer zur Weiterbenutzung des Fahrzeugs veranlasst, da seine finanziellen Ressourcen für eine Neuanschaffung gebunden sind. Der Einwand der Unfreiwilligkeit hilft nicht über die tatsächlich erfolgte Nutzung und damit verbundene Wertminderung der Sache hinweg.

 

Rz. 153

Im Gegenzug hat der Käufer, wenn er die Rückgewähr des Fahrzeugs in verzugsbegründender Weise angeboten hat, Ansprüche gegen den Verkäufer, welche die Höhe des von ihm zu gewährenden Nutzungsersatzes übersteigen können. Ihm stehen nach § 304 BGB die Erstattung von Aufbewahrungskosten zu und nach § 346 Abs. 1 BGB Zinsen aus dem vollen Kaufpreis seit dessen Zahlung.

 

Rz. 154

Ist der Käufer aufgrund der in § 346 Abs. 2 Nr. 1–3 BGB aufgelisteten Fälle außerstande, das Fahrzeug oder die gezogenen Nutzungen herauszugeben, hat er stattdessen Wertersatz zu leisten, auf Entreicherung kann er sich nicht berufen.[240] Damit wird ihm die Gefahr des Untergangs oder der Verschlechterung der zurückzugebenden Sache zugewiesen. Die Höhe des Werter...

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