Rz. 112

Dabei ist äußerst fraglich, ob die in das BDSG-Neu aufgenommenen Bestimmungen auf Grundlage einer entsprechenden Öffnungsklausel erlassen wurden. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung noch kritisch hervorgehoben, dass sich

Zitat

"eine Ermächtigung des nationalen Gesetzgebers zu einer so weitreichenden Einschränkung des Löschungsanspruchs der betroffenen Person […] in Artikel 23 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 nicht [findet]. Entgegen der Begründung zu § 35 BDSG-E lässt sich die Einschränkung insbesondere nicht auf den Tatbestand des Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2016/679 stützen, denn dieser enthält für sich genommen keine Regelungsbefugnis für den nationalen Gesetzgeber, sondern nur eine Konkretisierung für Gesetzgebungsmaßnahmen nach Artikel 23 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679. § 35 Absatz 1 BDSG-E erfüllt indessen nicht die Voraussetzungen für eine Gesetzgebungsmaßnahme nach Artikel 23 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679, da er offenkundig keine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zur Sicherstellung eines der dort abschließend genannten Regelungsziele darstellt. […] Die Möglichkeit einer vollständigen oder selektiven Löschung von Daten entspricht regelmäßig dem Stand der Technik. Für eine solche Ausnahme besteht somit auch kein inhaltliches Bedürfnis."[104]

 

Rz. 113

Trotz dieser durchaus berechtigten Kritik ist § 35 BDSG mit geringfügigen Änderungen weitgehend unverändert in das BDSG-Neu übernommen worden. Der Bundesrat hat also schlussendlich nicht weiter an seinen Einwänden festgehalten. Wie im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des BDSG-Neu, denen europarechtliche Bedenken entgegenstehen soll an dieser Stelle nicht weiter auf die vermeintliche Regelungsbefugnis des deutschen Gesetzgebers eingegangen werden. Es sollte jedoch im Rahmen der Beratung im Hinterkopf behalten werden, dass erhebliche Bedenken bestehen, die in Zukunft ggf. zu einer Verwerfung der Norm durch den EuGH führen könnten. Die Rechtsentwicklung sollte auf jeden Fall weiter im Auge behalten werden.

[104] BT-Drucks 18/11655, S. 39.

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