Rz. 1

Das so genannte Quotenvorrecht wurde von der Rechtsprechung schon sehr früh, nämlich vom Reichsgericht, entwickelt und vom BGH fortgeführt. Es ist eine Art Vorrecht des Begünstigten zu Lasten eines anderen. Die Anwendung führt im Endergebnis aber zu keiner Mehrzahlung des Zahlungspflichtigen. Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtungen ist § 86 VVG.

 

Rz. 2

Es findet in folgenden Bereichen Anwendung:

Vollkaskoversicherung,
Rechtsschutzversicherung,
Sachversicherung und sonstige Schadensversicherungen,
Arbeitsrecht,
Beamtenrecht,
Sozialversicherungsrecht,
Gesamtschuldnerausgleich des BGB,
Unterhaltsschäden,
bei unzureichender Haftungshöchstsumme (vgl. § 4 Rdn 79 ff.).
 

Rz. 3

Die überragende praktische Bedeutung und der mit Abstand häufigste Anwendungsfall des Quotenvorrechts liegt im Verkehrsrecht vor, wenn ein

Mitverschulden bzw. eine Mithaftung aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung des Geschädigten, also des Mandanten, gegeben ist und er über eine
Vollkaskoversicherung für sein Fahrzeug verfügt.

I. Vorbemerkungen

 

Rz. 4

Es ist nicht ganz leicht, das Quotenvorrecht dogmatisch zu verstehen. Auch die Gerichte verrechnen sich ständig und wenden es falsch an.

 

Rz. 5

Nachstehend soll daher eine zwar knappe, aber dafür (hoffentlich) verständliche Darstellung gewählt werden, zumal es im Schadensrecht ausreicht, sich jedenfalls die Abrechnung in der Praxis zu merken.

II. Kongruenz

 

Rz. 6

Nimmt der Geschädigte seine Vollkaskoversicherung in Anspruch, gehen seine Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG insoweit auf den Kaskoversicherer über.

 

Rz. 7

Gem. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG darf sich dieser Forderungsübergang jedoch nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers, also des Geschädigten, auswirken, d.h., dass der gesetzliche Übergang der Forderung auf den Kaskoversicherer so lange nicht stattfindet, wie nicht zuvor alle in der Kaskoversicherung abgedeckten Schadenspositionen von dieser und alle sachlich kongruenten Schadenspositionen vom Schädiger bzw. dessen Kfz-Haftpflichtversicherer reguliert worden sind (Quotenvorrecht). Der Geschädigte kann daher seinen sachlich kongruenten Schaden auch weiterhin gegenüber dem Schädiger und dessen Versicherer geltend machen, allerdings nur bis zu dieser Obergrenze des kongruenten Fahrzeugschadens (modifizierte Differenztheorie – BGH VersR 1958, 13; 1958, 161).

 

Rz. 8

Der hierin zum Ausdruck kommende Grundsatz der Deckungsgleichheit ist besonders wichtig. Er bedeutet, dass das Quotenvorrecht nur dann zum Zuge kommt, wenn der Schadensersatzanspruch den gleichen Zwecken dient wie die Versicherungsleistung (sachliche Kongruenz). Beachtet werden muss dabei, dass der kongruente Schaden nach der Rechtsprechung des BGH mehr umfasst als die Schadenspositionen, die der Vollkaskoversicherer nach dem Versicherungsvertrag zu ersetzen hat (siehe Rdn 14).

 

Rz. 9

Die Regelung des § 86 Abs. 1 S. 1 VVG soll verhindern, dass der Geschädigte mehr als seinen Schaden ersetzt bekommt. Der Schädiger muss aber – das ist ebenfalls wichtig – nie mehr zahlen, als seiner Haftungsquote entspricht.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge