Rz. 4

Im Hinblick auf die Frage, inwieweit Ehegattenverfügungen wechselbezüglich sein sollen, ist der Wille der Ehegattenerblasser mit größter Sorgfalt zu erforschen. Gerade die Unterscheidung zwischen wechselbezüglichen und nicht wechselbezüglichen testamentarischen Anordnungen ist für einen Laien schwer verständlich. Deshalb kommt gerade in diesem Fall der notariellen Prüfungs- und Belehrungspflicht große Bedeutung zu. Ohne entsprechende Nachfrage hat der Notar zu belehren über die Folgen der Wechselbezüglichkeit, insbesondere, dass solche Verfügungen nur zu Lebzeiten des anderen Ehegatten widerrufen werden können (§ 2270 BGB) und dass der Widerruf der notariellen Beurkundung und des Zugangs an den anderen Ehegatten bedarf (§§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB). Besonderes Gewicht ist bei der Formulierung der Testamentsniederschrift auf die Klarstellung zu legen, inwieweit wechselbezügliche Verfügungen gewollt sind und inwieweit nicht, auch wenn der Sachverhalt der Auslegungsregel des § 2270 BGB entspricht. Gerade weil die Erblasser von der Auslegungsregel abweichende Anordnungen treffen können, bedarf es insoweit besonderer Klarheit, zumal die nach dem Tod eines Ehegatten eingetretene Bindung außerordentlich weit reichende Rechtswirkungen erzeugt. Liegt bereits eine Verfügung von Todes wegen vor, muss sich der Notar diese vorlegen lassen und prüfen, inwieweit eine Bindungswirkung gegeben ist.[11]

 

Rz. 5

In gemeinschaftlichen Testamenten regeln Ehegatten meist neben der wechselseitigen Erbeinsetzung auch den Fall des "gemeinschaftlichen Versterbens" oder dem "Versterben kurz nach einander". Eine solche Formulierung kann im Einzelfall auch die Auslegung ergeben, dass die Ehegatten nicht nur den Fall des gleichzeitigen Todes geregelt wissen wollten, sondern auch ein zeitliches Nacheinanderversterben unter der Voraussetzung, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Vorversterbenden nicht mehr in der Lage ist, eine (weitere) letztwillige Verfügung von Todes wegen zu errichten.[12]

 

Rz. 6

An die Feststellung, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des erstversterbenden nicht mehr in der Lage war, selbst zu testieren, sind strenge Anforderungen zu stellen. Für die Bejahung einer Verhinderung des überlebenden Ehegatten an einer Testierung genügt es nicht, auf abstrakt-generelle Kriterien (z.B. Länge des Zeitraums, der zwischen den Todeszeitpunkten liegt, Trauerphase, organisatorischer Aufwand, Länge der Ehe, gesundheitliche Situation und das Alter des überlebenden Ehegatten) abzustellen. Vielmehr bedarf es deren Feststellung in ihrer konkreten Ausprägung im jeweiligen Einzelfall.

 

Rz. 7

Da also die Frage, ob die Ehegatten nur für den gemeinsamen Todesfall (Unfall) oder auch für den Fall des Versterbens nacheinander eine bestimmte Person als Erben einsetzen wollten, dies auslegungsfähig ist und gerade in Laientestamenten meist eine eindeutige Formulierung dazu fehlt, muss im Wege der Auslegung nach § 2084 BGB der tatsächliche Wille der Testierenden ermittelt werden.[13]

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