Rz. 51

BGH, Urt. v. 10.6.2008 – VI ZR 248/07, zfs 2008, 501 = VersR 2008, 1086

Zitat

BGB §§ 249, 251, 253

Der zeitweilige Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines reinen Freizeitzwecken dienenden Wohnmobils begründet keinen Anspruch auf abstrakte Nutzungsausfallentschädigung.

a) Der Fall

 

Rz. 52

Der Kläger verlangte nach einem Unfall, für dessen Folgen die Beklagten dem Grunde nach in vollem Umfang hafteten, Nutzungsausfallentschädigung wegen der Beschädigung seines Wohnmobils.

 

Rz. 53

Am 20.10.2005 stieß der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 versicherten Fahrzeug gegen das ordnungsgemäß geparkte Wohnmobil, bei dem es sich um eine den Freizeitbedürfnissen des Klägers entsprechende Spezialanfertigung handelte. Zur Beförderung und zum Transport im Alltag benutzte der Kläger seinen Pkw. Für die Zeit der Reparatur des Wohnmobils vom 21.10.2005 bis 24.11.2005 (35 Tage) machte er Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 150 EUR pro Tag, insgesamt 5.250 EUR geltend.

 

Rz. 54

Das Landgericht hat die Klage auf Nutzungsersatz abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist insoweit erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Begehren auf Ersatz von Nutzungsausfall weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 55

Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

Die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs stellt nach allgemeiner Rechtsauffassung grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit des Fahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit das Fortkommen im allgemeinsten Sinn zu fördern (vgl. Senat, BGHZ 45, 212, 215; 56, 214, 215).

 

Rz. 56

Auch für den Nutzungsausfallschaden gelten die schadensrechtlichen Grundsätze der subjektbezogenen Betrachtung des Schadens sowie des Bereicherungsverbots (Senatsurt. BGHZ 45, 212, 219 f.; 162, 161, 165 m.w.N. und Urt. v. 18.12. 2007 – VI ZR 62/07, DAR 2008, 139). Dem betroffenen Eigentümer gebührt die Entschädigung daher nicht unabhängig davon, ob er seinen Wagen während der Reparaturzeit benutzen wollte und hierzu in der Lage war. So ist ein Nutzungsschaden nicht gegeben, wenn etwa wegen Erkrankung oder Ortsabwesenheit der allein für die Benutzung in Frage kommenden Person der Gebrauch des Fahrzeugs ohnehin nicht möglich war (Senat, BGHZ 45, 212, 219; Urt. v. 7.6.1968 – VI ZR 40/67, VersR 1968, 803; BGHZ GSZ 98, 212, 220; BGHZ 40, 345, 353). Die Entbehrung der Nutzung muss darüber hinaus auch deshalb "fühlbar" geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. Diese Einschränkung stellt sicher, dass der Geldersatz für Verluste im eigenwirtschaftlichen Einsatz der Sache ungeachtet der notwendigen Typisierung und Pauschalierung einer konkreten, auf das jeweils betroffene Vermögen bezogenen Schadensbetrachtung verhaftet bleibt. Der Nutzungsersatz kommt nur für einen der vermögensmehrenden, erwerbswirtschaftlichen Verwendung des Wirtschaftsgutes vergleichbaren eigenwirtschaftlichen, vermögensmäßig erfassbaren Einsatz der betreffenden Sache in Betracht, denn der Ersatz für den Verlust der Möglichkeit zum Gebrauch einer Sache muss grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. Andernfalls bestünde die Gefahr, unter Verletzung des § 253 BGB die Ersatzpflicht auf Nichtvermögensschäden auszudehnen. Auch würde dies mit den Erfordernissen von Rechtssicherheit und Berechenbarkeit des Schadens in Konflikt geraten. Deshalb beschränkt sich der Nutzungsausfallersatz auf Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist und bei denen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können. Der Tatrichter soll den Schadensersatz nicht an unkontrollierbaren subjektiven Wertschätzungen festmachen müssen, die ihm der Geschädigte angibt, sondern an Werten, die der Verkehr dem Interesse an der konkreten Nutzung beimisst (vgl. BGHZ GSZ 98, 212, 222 ff.). Hierzu kann auf die Verkehrsanschauung abgehoben werden, wenn diese auch nicht darüber entscheiden kann, wo die Grenze des § 253 BGB verläuft (vgl. Senat, BGHZ 89, 60, 62 f. m.w.N.).

 

Rz. 57

Nach diesen Kriterien hat der Ersatzpflichtige für den vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich auch dann eine Entschädigung zu leisten, wenn sich der Geschädigte einen Ersatzwagen nicht beschafft hat. Wie oben dargelegt, ist die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens grundsätzlich geeignet, Zeit und Kraft zu sparen, so dass die dadurch gewonnenen Vorteile als "Geld" zu betrachten sind. Auch hat der Geschädigte finanzielle Mittel zur Anschaffung un...

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