Rz. 6

Vor allem in den AGB deutscher Anbieter wie der Telekom, gmx, web.de oder den VZ-Netzwerken finden sich Regelungen, nach denen der Erbe sich durch einen Erbschein als Berechtigter ausweisen und sodann schriftlich Zugang zum Account beantragen muss; er kann dann ein neues Passwort erhalten und entscheiden, ob er das Konto weiterführt oder löscht. Ähnliche Regelungen hatten die AGB-Banken und Sparkassen vorgesehen.[12]

 

Rz. 7

Zunächst werden die Provider nach Erwägungsgrund 69 EU-ErbVO wie auch Banken ein Europäisches Nachlasszeugnis als einem Erbschein gleichwertigen Erbnachweis akzeptieren müssen.[13] Der BGH hatte darüber hinaus das Erfordernis, in jedem Fall einen Erbschein vorlegen zu müssen, als mit § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB unvereinbar erkannt und entschieden, dass Banken statt eines Erbscheins nach dem Leitbild des § 35 Abs. 1 S. 2 GBO auch ein öffentliches Testament mit Eröffnungsprotokoll als ausreichend zur Legitimation ansehen müssen.[14]

 

Rz. 8

Dies wird auf den Bereich des digitalen Nachlasses zu übertragen sein.[15] Denn letztlich können hier keine anderen Anforderungen gestellt werden. Zwar sind die Unterschiede zum Grundbuchamt und Banken zu sehen und zu berücksichtigen.[16] So hat das Grundbuchamt ein Testament eigenständig auszulegen.[17] Das wird man vom Provider ebenso wenig verlangen können, wie von Banken.[18] Der Unterschied im Verhältnis zum Provider gegenüber dem zur Bank mag in Folgendem begründet liegen: Gegenüber der Bank geht es um rein pekuniäre Interessen. Diese können durch § 2367 BGB, Schadens- und Rückforderungsansprüche[19] auch dann hinreichend berücksichtigt werden, wenn die angenommene Erbfolge nicht der wahren Rechtslage entspricht. Geht hingegen ein Account über, so geht auch das Recht, diesen und die damit verbundenen Daten zu nutzen und zu löschen, auf die Erben über. Die Daten wären damit für die wahren Erben ggf. irreversibel verloren, wenn der aufgrund der vorgelegten Dokumente angenommene vermeintliche Erbe diese löscht.

 

Rz. 9

Gleichwohl sind an die Voraussetzungen, unter denen man sich gegenüber Providern als Erbe legitimieren kann, keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Dies würde den digitalen Rechtsverkehr über Gebühr lähmen. Die Probleme können letztlich auch bei Vorlage eines Erbscheins, der ja auch keine konstituierende Wirkung hat, auftreten. Zwar gilt dann § 2365 BGB zugunsten der Provider (und auch das Europäische Nachlasszeugnis entfaltet einen ähnlichen Rechtsschein), was bei Vorlage eines bloß öffentlichen Testaments mit Eröffnungsprotokoll nicht der Fall ist. Das ist aber auch von den Banken hinzunehmen.[20] Schließlich können gleiche Situationen beim realen Nachlass eintreten, wenn der vermeintliche Erbe etwa papierne Dokumente vernichtet, die unwiederbringlich sind.

Zusammenfassung: Die Provider dürfen also bei Vorlage eines öffentlichen Testaments mit Eröffnungsprotokoll oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses nicht auf Vorlage eines Erbscheins bestehen.

[12] Hierzu Staudinger/Herzog (2016), Vor §§ 2353 ff. BGB Rn 34 f.
[13] Bredemeyer, ZEV 2016, 65, 67; Vollmer, ZErb 2012, 227, 233; a.A. Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525, 528 Fn 26.
[14] BGH, Urt. v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, NJW 2005, 2779 = ZEV 2005, 388 m. Anm. Werkmüller; BGH, Urt. v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, ZEV 2014, 41 m. Anm. Werkmüller = ErbR 2014, 191 = ZErb 2014, 25; siehe auch Anm. Keim, ZEV 2014, 277 und Bonefeld, ZErb 2014, 157; siehe auch Haaser, ErbR 2014, 315; Bredemeyer, ZEV 2016, 65; Keim, ZEV 2014, 277.
[15] So auch Raude, RNotZ 2017, 17, 23; Kutscher, S. 124; Seidler, S. 148; Bericht der Arbeitsgruppe "Digitaler Neustart" v. 15.5.2017, S. 356; Solmecke/Köbrich/Schmitt, MMR 2015, 291, 294; Rott/Rott, NWB-EV 2013, 160, 163; Redeker, in: DAV-Stellungnahme Nr. 34/2013, S. 59, 62; NK-NachfolgeR/Herzog, Kap. 9. Rn 93; MüKo-BGB/Leipold, § 1922 BGB Rn 29.
[16] Zu pauschal Tersteegen, RNotZ 2014, 99.
[17] Bonefeld, ZErb 2014, 157.
[18] Zu Banken Staudinger/Herzog (2016), Vor §§ 2353 ff. BGB Rn 36.
[19] Hierzu auch Lange/Werkmüller/Lange, Der Erbfall in der Bankenpraxis, § 12 Rn 10 f.
[20] Staudinger/Herzog (2016), Vor §§ 2353 ff. BGB Rn 34, 35.

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