1. Allgemeines

 

Rz. 227

Nachlassgläubigern steht es unabhängig von der Frage einer erfolgten Teilung des Nachlasses zu, jeden der Miterben als Gesamtschuldner mit der Gesamtschuldklage zu verklagen.[393] Da jeder Erbe Gesamtschuldner ist, kann der Gläubiger die Gesamtschuldklage gegen nur einen Erben, mehrere Erben oder alle Erben gleichzeitig erheben.[394] Das vom Kläger dabei anvisierte Gut ist das Eigenvermögen der Erben, welches dessen Anteil am Nachlass beinhaltet.[395]

 

Rz. 228

Gegen die Inanspruchnahme durch die Gesamtschuldklage kann sich der jeweilige Erbe vor allem mit Hilfe von Haftungsbeschränkungsmaßnahmen wehren. Erhebt der Miterbe die Einrede des § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB, ergeht nach ganz überwiegender Auffassung nach entsprechendem Antrag ein Urteil unter Vorbehalt nach § 780 ZPO.[396] Dem Antrag des Gläubigers wird jedoch stattgegeben.

 

Rz. 229

Notwendige Streitgenossen nach § 62 ZPO sind die Miterben bei der Gesamtschuldklage nicht.[397] Uneinheitliche Entscheidungen sind wegen § 425 Abs. 2 BGB möglich.[398]

[393] Zeising, ZErb 2013, 52, 53.
[394] Zeising, ZErb 2013, 52, 53.
[395] BeckOGK-BGB/S. Otto, § 2058 Rn 21.
[396] Staudinger/Marotzke, § 2059 Rn 11, 27 ff.
[397] OLG Naumburg, Urt. v. 16.1.1996 – 3 U 38/96, NJW-RR 1998, 308, 309; Damrau/Tanck/Syrbe, § 2058 Rn 9.
[398] RG, Urt. v. 28.3.1908 – Rep. V 348/07, RGZ 68, 221, 223, wonach die notwendige Streitgenossenschaft nur für die Zwangsvollstreckung bestehe.

2. Verfügungen über Nachlassgegenstände

 

Rz. 230

Begehrt ein Nachlassgläubiger eine Verfügung über einen Nachlassgegenstand wie bspw. die Auflassung eines Grundstücks, stellt sich die Frage, wie das erreicht werden kann. Ist der Nachlass noch nicht geteilt, schuldet zwar jeder Miterbe die Erfüllung dieser Verbindlichkeit. Wegen der gesamthänderischen Bindung und den Verwaltungs- und Verfügungsvorschriften in §§ 2038 ff. BGB ist der einzelne Miterbe dazu jedoch nicht in der Lage. Daher wird auch von einem Zwang zur Gesamthandsklage gesprochen.[399] Zur Lösung dieses Problems im Rahmen einer Gesamtschuldklage werden von der überwiegenden Auffassung verschiedene Ansätze diskutiert.[400]

[399] BeckOGK-BGB/S. Otto, § 2059 21; ders., § 2058 Rn 23.
[400] M.w.N. zur a.A. Zeising, ZErb 2013, 52, 56.

a) Rechts- und Parteifähigkeit der Erbengemeinschaft

 

Rz. 231

Der BGH hat sich deutlich gegen eine Rechts- und damit auch Parteifähigkeit der Erbengemeinschaft entschieden.[401] Die Frage, ob die Gesamthandsklage damit hinfällig ist, wird in der Praxis nach hiesiger Ansicht kaum Relevanz haben.

[401] BGH, Urt. v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, Rn 11, zit. nach juris; zum Streitstand und evtl. Ausnahmetatbestand: BeckOGK-BGB/S. Otto, § 2058 Rn 7.

b) Klage gegen nur einen der Miterben

 

Rz. 232

Klagt der Gläubiger gegen einen der Miterben, kann diese Klage auf Herbeiführung der Auflassung gerichtet werden (so genannte Herbeiführungsklage).[402] Dieser Lösungsvorschlag ist nicht ohne Kritik geblieben.[403]

Der auf Herbeiführung der Auflassung verklagte Miterbe muss dann seinerseits gegen die anderen Miterben vorgehen.[404] Der Anspruch ergibt sich u.a. aus § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB.[405] Notfalls muss die Auseinandersetzung nach §§ 2042 Abs. 2, 2046 BGB verlangt werden.[406]

[402] BGH, Urt. v. 24.4.1963 – V ZR 16/62, NJW 1963, 1611, 1612; BGH, Urt. v. 15.10.1997 – IV ZR 327/96, NJW 1998, 682; so auch schon RG, Urt. v. 10.7.1909 – Rep. V 43/08, RGZ 71, 366, 370; BeckOK-BGB/Lohmann,§ 2059 Rn 6; krit. BeckOGK-BGB/S. Otto, § 2059 Rn 21 und 21.2 insbesondere hinsichtlich praktischer Umsetzung bezüglich Formulierung des Antrages und der Vollstreckbarkeit. Lösungsmöglichkeiten bei Zeising, ZErb 2013, 52, 56 f.
[403] Vgl. BeckOGK-BGB/S. Otto, § 2059 Rn 21 und 21.2.
[404] BeckOGK-BGB/S. Otto, § 2059 Rn 21 und 21.2.
[405] MüKo/Ann, § 2058 Rn 24.
[406] Staudinger/Marotzke, § 2058 Rn 61.

c) Klage gegen alle oder mehrere Erben

 

Rz. 233

Widersetzen sich alle Erben der Abgabe der erforderlichen Erklärungen, kann der Gläubiger natürlich auch alle Erben verklagen. Da die Übergabe bzw. die Auflassung gem. § 2040 BGB gemeinsam erfolgen muss, sind die verklagten Erben dann ausnahmsweise auch im Rahmen der Gesamtschuldklage aus materiell-rechtlichen Gründen notwendige Streitgenossen nach § 62 Abs. 1 ZPO.[407]

Nicht notwendig ist aber eine zeitgleiche Abgabe der erforderlichen Erklärungen.[408] Geben daher einige Miterben ihre Erklärungen freiwillig ab und andere widersetzen sich, kann die Klage auch nur gegen die sich widersetzenden Erben gerichtet werden.[409]

Gleiches gilt für:

die Klage auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung[410]
die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek, wenn diese auf einem Grundstück lastet, welches zum Nachlass gehört.[411]
[407] BGH, Urt. v. 12.1.1996 – V ZR 246/94, NJW 1996, 1060, 1061.
[408] MüKo/Ann, § 2059 Rn 22.
[409] RG, Urt. v. 18.9.1918 – Rep. V 80/18, RGZ 93, 292, 295; RG, Urt. v. 5.10.1925 – V 598/24, RGZ 111, 338, 340; MüKo/Ann, § 2059 Rn 22.
[410] OLG Naumburg, Urt. v. 10.1.1997 – 3 U 38/96, NJW-RR 1998, 308, 309. OLG Naumburg beschränkt die Klagemöglichkeiten allerdings auf die Gesamthandsklage.
[411] RG, Urt. v. 31.1.1938 – V 105/37, RGZ 157, 33, 36; Mü...

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