Rz. 14

Der prozessrechtliche Begriff der Zwangsvollstreckung weicht von dem gebührenrechtlichen Begriff ab, was sich auswirkt, wenn der RA, vor allem aber auch ein registrierter Inkassodienstleister, den Gläubiger – oder auch Schuldner – nicht schon im Erkenntnisverfahren vertreten hat.

 

Rz. 15

Zu beachten sind folgende Fälle:

Die Beantragung einer Vollstreckbarkeitserklärung bei Schiedssprüchen oder Anwaltsvergleichen führt erst zur Schaffung eines Vollstreckungstitels, ist also noch nicht Teil der Zwangsvollstreckung. Die Vergütung des beantragenden RA richtet sich also nach Nr. 3100 VV RVG und nicht nach Nr. 3309 VV RVG.[7]

Im Einzelfall muss geprüft werden, ob eine Angelegenheit noch mit der Tätigkeit im Hauptverfahren abgegolten ist, so dass die gesonderte Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG nur der RA erhält, der im Hauptsacheverfahren noch nicht beauftragt war. Dies gilt etwa für die erste Erteilung der ersten vollstreckbaren Ausfertigung, § 19 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 13 i.V.m. §§ 17 und 18 VV RVG.

 

Hinweis

Dies ist besonders zu beachten, wenn es nach der Titulierung eines streitigen Anspruchs zum Bearbeiterwechsel kommt. Der neue RA verdient dann schon die 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG mit der Beantragung der vollstreckbaren Ausfertigung. Allerdings wird es sich vielfach nicht auswirken, weil die anschließende Zahlungsaufforderung und die dann folgende Vollstreckungsmaßnahme insgesamt nur eine Angelegenheit darstellen und deshalb insgesamt nur einmal die 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG anfällt. Jedoch darf nicht vergessen werden, die Gebühr auch dann geltend zu machen, wenn aufgrund aktueller Informationen nach der Erteilung der Ausfertigung von der Vollstreckung Abstand genommen wird oder es zu einer abschließend erfüllenden Zahlung des Schuldners kommt, bevor die weitere Vollstreckung eingeleitet werden kann. Anders als bei anderen Verfahrensgebühren, kennt das Zwangsvollstreckungsrecht also keine Kürzung bei einer vorzeitigen Erledigung des Auftrages. All das gilt auch dann, wenn der Schuldner noch gar keine Kenntnis von der Beauftragung und vorbereitenden Tätigkeit des RA hat.[8]

Auch ist auf den gebührenrechtlichen Beginn der Tätigkeit des RA für das Entstehen der Gebühren abzustellen und nicht auf den prozessrechtlichen Beginn in Form der ersten Vollstreckungshandlung des Vollstreckungsorgans.

 

Hinweis

Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG entsteht daher mit den die prozessrechtliche Zwangsvollstreckung vorbereitenden Handlungen des RA. In Betracht kommen vor allem

die Informationsbeschaffung über die Vollstreckungsforderung, den Vollstreckungsgegner und dessen Einkommen und Vermögen beim Mandanten;[9]
die Informationsbeschaffung über die Bonität des Schuldners bei Auskunfteien, um dessen Einkommens- und Vermögenssituation zu klären und damit eine Einschätzung zur Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen zum aktuellen Zeitpunkt zu bekommen;
die Einsichtnahme in das Schuldnerverzeichnis, um zu erfahren, ob dem Schuldner bereits die Vermögensauskunft abgenommen wurde;
die Zahlungsaufforderung an den Schuldner, zur Abwendung der Zwangsvollstreckung die Forderung insgesamt auszugleichen oder aber zumindest Kontakt zur Erzielung einer gütlichen Einigung aufzunehmen;
ebenso aber die von dem RA formulierte bloße Bitte des Beklagten nach Zustellung eines Versäumnisurteils und erfolgtem Einspruch um Abstandnahme von der Vollstreckung sowie die Entgegennahme einer solchen Erklärung durch den bereits mit der Vollstreckung beauftragten RA;
die Zahlungsaufforderung mit dem Hinweis auf die sonst beauftragte Beantragung einer Vollstreckungsmaßnahme, wobei es nicht erforderlich ist, dass bereits alle Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen.[10]

Unerheblich ist der tatsächliche Aufwand, der betrieben wurde.[11]

Die vorgerichtliche Tätigkeit vor Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage, einer Drittwiderspruchsklage, einer Klage auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 ZPO, einer negativen Feststellungsklage, einer Nichtigkeits- oder Restitutionsklage oder letztlich einer Klage aus § 826 BGB wegen rechtsmissbräuchlicher Zwangsvollstreckung ist wiederum nicht Teil der Zwangsvollstreckung, sondern gehört zur vorgerichtlichen Vertretung. Insoweit bestimmt sich die Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG und nicht nach Nr. 3309 VV RVG.[12] Selbstverständlich nur dann, wenn der Auftrag nicht auf die unmittelbare Klageerhebung oder -verteidigung beschränkt war. Vom Auftrag (auch) für eine vorgerichtliche Vertretung wird grundsätzlich auszugehen sein, wenn sie naheliegt und sinnvoll ist und konkrete Erklärungen des Mandanten oder Umstände des Einzelfalls keine andere Sicht nahelegen.
[7] OLG München AGS 2009, 574 = FamRZ 2009, 2112; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3100 Rn 4; Zöller/Geimer, ZPO, § 796a Rn 30; Musielak/Voit, ZPO, § 796b Rn 5; a.A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 796b Rn 7; Hartmann, Kostengesetze, RVG-VV, VV 1000 Rn 12.
[8] OLG Koblenz JurB...

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