Rz. 1

Im Vergleich zu den Vorauflagen aus 2004 und 2009 haben sich einige Rahmendaten stark verändert. So wurde etwa die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG in Deutschland komplett reformiert und am 1.1.2009 trat eine Abgeltungssteuer in Deutschland in Kraft, die zumindest in den Grundzügen und stark vereinfachend gesagt mit dem österreichischen Modell übereinstimmt. Zudem fand in Deutschland zum 1.1.2009 einen Paradigmenwechsel in der Erbschaftsteuer statt, der nach der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts insbesondere zu einer Abschaffung der privilegierten Bewertung von Immobilien und Betriebsvermögen geführt hat. Nach mehreren Nachbesserungen in den letzten Jahren insbesondere im Rahmen der Privilegierung von Betriebsvermögen in den §§ 13a, 13b ErbStG liegt in den im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 beschlossenen Änderungen des Bewertungsgesetzes, die auf Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 anzuwenden sind, sich auf bebaute Grundstücke auswirken und eine Höherbewertung derselben im Vergleich zum status quo bedeuten können, eine weitere Mehrbelastung der Steuerpflichtigen in Deutschland.

 

Rz. 2

Vollkommen unterschiedlich hat Österreich auf die Verfassungswidrigkeit seines Erbschaftsteuergesetzes reagiert. Der Gesetzgeber ließ vom Verfassungsgerichtshof zugestandene Fristen zur Reparatur des Gesetzes verstreichen und akzeptierte so sehenden Auges das Außerkrafttreten des Gesetzes zum 31.7.2008. Mit der Kündigung des DBA Österreich/Deutschland (E) zum 31.12.2007 hat Deutschland auf diese Entwicklung früh reagiert und so den Abkommensschutz zum genannten Zeitpunkt beseitigt.

 

Rz. 3

Würde man eine "Hitliste" der drei hier untersuchten Zielstaaten aufstellen wollen, die nur an den "harten" steuerlichen Rahmenbedingungen der Zielstaaten orientiert ist, würde trotz Außerkrafttreten der Erbschaftsteuer in Österreich die Schweiz, zumindest in den steuergünstigen Kantonen, gegenüber Österreich und Italien das Rennen für sich entscheiden. Denn insbesondere auf der Ertragsteuerseite zeigen die steuergünstigen Kantone der Schweiz ein Steuerniveau, das für Österreich oder Italien nicht erreichbar ist. Hinzu tritt die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung in der Schweiz, die ebenfalls steuerliche Vorteile gewährt, die in Österreich, Italien und Deutschland nicht denkbar sind.

 

Rz. 4

In Italien gibt es zahlreiche individuelle Steuervorteile, so dass sich wegzugswillige Steuerpflichtige, auf die die jeweiligen Steuervorteile gut passen, auch in Italien gut aufgehoben fühlen könnten. Zudem sind im italienischen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht höhere Freibeträge und niedrigere Steuersätze vorgesehen.

Weiterhin spricht für einen Wegzug nach Italien der Umstand, dass etwa in Südtirol noch nicht einmal eine Sprachbarriere zu überwinden ist und etwa das Vinschgau oder Meran mit ca. 300 Sonnentagen im Jahr glänzen können. Auch die Lebenshaltungskosten sind in Italien deutlich geringer als in der Schweiz.

 

Rz. 5

Dennoch kann sich auch ein Wegzug nach Österreich aus steuerlichen Gründen lohnen, falls etwa die Erbschaftsteuer das Hauptmotiv für den Wegzug darstellt. Denn nach dem Außerkrafttreten des österreichischen Erbschaftsteuergesetzes zum 31.7.2008 sowie bei Abwarten der fünfjährigen Wartefrist[1] aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. b ErbStG kann bei Ansässigkeit sowohl von Schenker/Erblasser als auch des/der Begünstigten in Österreich grundsätzlich erbschaftsteuerfrei übertragen werden.

 

Rz. 6

Aufgrund der extensiven Annahme eines Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland durch Rechtsprechung und Finanzverwaltung und der damit grundsätzlich verbundenen Abstinenz von regelmäßigen Heimatbesuchen sind auch die emotionalen, "weichen" Bedingungen zu beachten, die ein Wegzug mit sich bringt. Hierbei sind insbesondere die höheren Lebenshaltungskosten in der Schweiz zu bedenken. Denn im Hinblick auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist es nicht nur der Erblasser, der seinen Wohnsitz nicht mehr in Deutschland haben darf, sondern auch der oder die Erwerber. Damit multiplizieren sich auch die Lebenshaltungskosten. Daneben sind die Schweizer auch nicht als Volk bekannt, das schnell tiefgehende Freundschaften mit (deutschen) Zuzüglern schließt. Daher sollte im Vorgriff auf den Wegzug auch das soziale und gesellschaftliche Umfeld des Zielkantons sondiert werden, um nachher keine Isolationsgefühle entstehen zu lassen.

 

Rz. 7

Unabhängig davon, ob der auswanderungswillige Steuerpflichtige in die Schweiz, nach Österreich oder Italien umsiedeln will, ist er gut beraten, wenn er sein Vermögen vor dem Umzug umschichtet. Hier lautet die stark vereinfachte Faustregel: Vermeidung von Immobilien im Wegzugsstaat und Schaffung von Kapitaleinkünften. Immobilien im Wegzugsstaat sollten abgestoßen werden, da nach dem Belegenheitsprinzip die Besteuerung der laufend (Vermietung und Verpachtung) oder einmalig (Veräußerungsgewinn) erzielten Einkünfte in der Regel im Belegenheitsstaat, also in Deutschland zu den dort vorherrschenden hohen Steuersätzen, zu ver...

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