Rz. 120

BGH, Urt. v. 12.1.2016 – VI ZR 491/14, VersR 2016, 415

Zitat

OEG § 5; BVG §§ 30 f.; BGB §§ 252 S. 2, 287 Abs. 1

1. Die Grundrente nach § 31 BVG hat keine Lohnersatzfunktion und dient ihrer Zweckbestimmung nach anders als die Ausgleichsrente und der Berufsschadensausgleich nicht der Bestreitung des Lebensunterhalts.
2. Zu der für die Bemessung des Erwerbsschadens erforderlichen Prognose der hypothetischen Einkommensentwicklung bei einem bereits langjährig im Erwerbsleben stehenden Geschädigten.

I. Der Fall

 

Rz. 121

Das klagende Land nahm den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Ersatz von Leistungen in Anspruch, die es nach dem Opferentschädigungsgesetz und dem Bundesversorgungsgesetz an den Geschädigten H. S. erbracht hatte. Der Beklagte ist der Nachlassverwalter des verstorbenen Schädigers.

 

Rz. 122

Der am 7.2.1957 geborene Geschädigte war nach zunächst angestellter Tätigkeit seit dem Jahr 1986 selbstständig als Tischlermeister tätig. Am 1.7.2004 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Seine selbstständige Tätigkeit stellte er ein. Ab März 2006 war er erneut selbstständig tätig und bezog Leistungen aufgrund einer Förderungsmaßnahme zur Wiedereingliederung Arbeitsloser. Am 12.7.2007 versuchte der Schädiger, den Geschädigten zu töten. Der Geschädigte erlitt lebensgefährliche Verletzungen und erhebliche bleibende Schäden.

 

Rz. 123

Der Kläger verlangte von dem Beklagten aus übergegangenem Recht Erstattung erbrachter Rentenleistungen für den Zeitraum vom 1.7.2007 bis 30.6.2012 in Höhe von insgesamt 91.392 EUR nebst Zinsen (monatlich 1.494 EUR ab dem 1.7.2007, 1.504 EUR ab dem 1.7.2008, 1.535 EUR ab dem 1.7.2009 und 1.548 EUR ab dem 1.7.2011) sowie die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger diejenigen weiteren Aufwendungen zu ersetzen, die ihm nach dem Opferentschädigungsgesetz und dem Bundesversorgungsgesetz gegenüber dem Geschädigten wegen der am 12.7.2007 von dem Schädiger begangenen Körperverletzung obliegen, soweit gesetzliche Schadensersatzansprüche auf den Kläger übergegangen sind. Der Beklagte meinte, der behauptete Verdienstausfall sei übersetzt.

 

Rz. 124

Das LG hat der Klage in Höhe von 64.440 EUR nebst Zinsen wegen der von dem Kläger im Zeitraum vom 1.1.2009 bis 30.6.2012 gezahlten Rentenleistungen sowie hinsichtlich des Feststellungsanspruchs stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das OLG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und ihn auf die Berufung des Klägers verurteilt, weitere 26.952 EUR wegen der von dem Kläger an den Geschädigten im Zeitraum vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 gezahlten Rentenleistungen nebst Zinsen zu zahlen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgte der Beklagte seinen Abweisungsantrag weiter.

II. Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 125

Die Revision hatte Erfolg.

Die Revision war insgesamt zulässig. Sie war entgegen der Ansicht des Klägers auch hinsichtlich der Feststellungsverurteilung ausreichend begründet, § 551 ZPO. Denn die Revision wandte sich mit der Rüge, die Annahme eines Forderungsübergangs nach § 5 OEG i.V.m. § 81a BVG werde durch die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen, (auch) gegen die Feststellungsverurteilung.

 

Rz. 126

Die Revision war begründet.

Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts trugen seine Beurteilung nicht, dem klagenden Land stehe ein Anspruch auf Erstattung der von ihm im Zeitraum vom 1.7.2007 bis 30.6.2012 an den Geschädigten geleisteten Rentenleistungen (Grundrente und Berufsschadensausgleich) zu, §§ 823 Abs. 1, 843 Abs. 1 BGB, § 5 OEG i.V.m. § 81a BVG.

 

Rz. 127

Zwar ging das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision zutreffend davon aus, dass ein dem Geschädigten gegen den Schädiger zustehender Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung, der dem Grunde nach zwischen den Parteien nicht im Streit war, gemäß § 5 OEG i.V.m. § 81a BVG auf das klagende Land als dem nach § 4 OEG im Rahmen der Opferentschädigung leistungspflichtigen Versorgungsträger übergegangen war. Dieser Forderungsübergang setzte nicht, wie das Berufungsgericht angenommen haben könnte, eine Leistungserbringung nach dem Opferentschädigungsgesetz voraus. Vielmehr vollzog er sich, da angesichts der Verletzungen des Geschädigten von Anfang an die Möglichkeit von Versorgungsleistungen nach diesem Gesetz bestanden hatte, bereits im Zeitpunkt der dem Schädiger zur Last gelegten Verletzungshandlung. Er erfasste nach § 81a BVG den Schadensersatzanspruch des Geschädigten im Umfang der Pflicht zur Gewährung kongruenter Leistungen, die vom klagenden Land auf der Grundlage des § 1 OEG i.V.m. den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes bei Antragstellung des Verletzten zu erbringen waren (vgl. Senatsurt. v. 28.3.1995 – VI ZR 244/94, NJW 1995, 2413).

 

Rz. 128

Zu Unrecht nahm das Berufungsgericht aber an, dass die von dem klagenden Land an den Geschädigten geleistete Grundrente mit dem im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Verdienstausfallschaden kongruent sei. Die Grundrente nach § 31 BVG ist in erster Linie darauf gerichtet, den Mehrbedarf des Ge...

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