Rz. 557

Der Zeitpunkt der Besteuerung einer Tantieme richtet sich streng nach dem Zuflussprinzip. Wird eine Tantieme für das Jahr 01 im April 02 ausgezahlt, erfolgt die Lohnversteuerung bei bestehender Lohnsteuereinbehaltspflicht im April 02. Bei fehlender Lohnsteuerpflicht erfolgt die Versteuerung über die Einkommensteuererklärung für das Jahr 02.

Dabei erfolgt die Besteuerung nach den Besteuerungsmerkmalen, die im Moment des Zuflusses vorliegen. Ein Mitarbeiter gibt zum 01.01.02 seinen deutschen Wohnsitz auf und wird beschränkt steuerpflichtig. Am 01.04.02 erhält er eine Tantieme für das Jahr 01, für die Deutschland gem. § 49, Abs. 1 Nr. 4a) EStG das Besteuerungsrecht hat, weil die Arbeit, für die die Tantieme gezahlt wird, in Deutschland geleistet wurde. Die Besteuerung erfolgt nach den Regeln über die beschränkte Steuerpflicht, weil der Mitarbeiter am 01.04.02 hier nicht mehr ansässig ist. Unerheblich ist dabei, dass die Tantieme für das Jahr 01 gezahlt wird, in dem der Mitarbeiter noch unbeschränkt steuerpflichtig war.

 

Rz. 558

Bzgl. der Frage, welches Land die Tantieme besteuern darf, ist dagegen der Zuflusszeitpunkt völlig unerheblich. Hier ist vielmehr zu fragen, wo war der Mitarbeiter steuerpflichtig, als er die Tantieme erdient hat. Bei der Anwendung des Art. 15 OECD-MA ist daher der gesamte Artikel nach den Verhältnissen zu interpretieren, die zum Zeitpunkt der Erdienung der Tantieme vorlagen. Das gilt auch für die Begriffe "Ansässigkeits- und Ausübungsstaat".

 

Rz. 559

 

Beispiel 24:

Der Mitarbeiter M wird per 01.01.02 nach OECD-Land entsandt. Seinen deutschen Wohnsitz gibt er zu diesem Zeitpunkt auf. Am 01.04.02 erhält er eine Tantieme für das Jahr 01.

Für die Tantieme droht in voller Höhe eine Doppelbesteuerung, weil für den Zeitpunkt der Versteuerung der Zufluss maßgebend ist. OECD-Land will daher besteuern, weil M am 01.04.02 dort unbeschränkt steuerpflichtig ist. Deutschland will besteuern, weil M am 01.04.02 hier zwar nur beschränkt steuerpflichtig ist. Die Tantieme wird aber für auf deutschem Territorium ausgeübte Arbeit gezahlt, vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Art. 15 OECD-MA ist nun nach den Verhältnissen im Jahr 01 zu lesen und zu interpretieren. Im Jahr 01 war Deutschland der Ansässigkeitsstaat. Daher hat Deutschland nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA zunächst das Besteuerungsrecht für die Tantieme. OECD-Land hat überhaupt nur insoweit ein Besteuerungsrecht, als die Arbeit, für die die Tantieme gezahlt wird, in OECD-Land ausgeübt wurde. Die Ausübung erfolgte jedoch ebenfalls ausschließlich in Deutschland. Damit fallen für das Jahr 01 Ansässigkeitsstaat und Ausübungsstaat zusammen und es bleibt beim Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats, hier Deutschland.

Für die aktuelle Durchführung der Besteuerung im Jahr 02 (Zuflussprinzip) ist allerdings wieder OECD-Land der Ansässigkeitsstaat und Deutschland der Ausübungsstaat. Es ist nunmehr Aufgabe des Ansässigkeitsstaats, die Doppelbesteuerung zu vermeiden. Daher ist zu prüfen, ob OECD-Land die Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt anwendet oder die Anrechnungsmethode.

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