Rz. 130

Handelt es sich bei der Streitsache um eine Handelssache i.S.v. § 95 GVG, ohne dass der Kläger gem. § 96 Abs. 1 GVG die Verhandlung vor der Kammer für Handelssachen beantragt hat, so kann nach § 98 Abs. 1 S. 1 GVG der Beklagte die Verhandlung vor der Kammer für Handelssachen beantragen.[65]

 

Rz. 131

Nach § 101 GVG ist der Antrag in der ersten[66] Klageerwiderungsfrist zu stellen, sofern eine solche gesetzt wurde. Nach anderer Ansicht soll der Antrag bis zum Ablauf der verlängerten Klageerwiderungsfrist gestellt werden können.[67] Dem Grundsatz des sichersten Weges folgend sollte der Bevollmächtigte des Beklagten sich auf diese Streitfrage allerdings nicht einlassen und den Antrag unmittelbar stellen, zumal es sich um eine regelmäßig schnell zu beantwortende Frage handelt. Wird der Antrag erst zu einem späteren Zeitpunkt gestellt, kann dies nur zu einer Verweisung führen, wenn die Verspätung hinreichend entschuldigt wird, § 101 Abs. 1 S. 3 GVG, § 296 Abs. 3 ZPO. Die absolute zeitliche Grenze für einen Verweisungsantrag ist allerdings die Verhandlung der Beteiligten. Haben diese gleich über welche Frage verhandelt, kann ein Verweisungsantrag auch dann nicht mehr gestellt werden, wenn die Verspätung hinreichend entschuldigt wird.

 

Rz. 132

Voraussetzung des Antrages ist, dass es sich bei dem Rechtsstreit um eine Handelssache handelt. Der Begriff der Handelssachen ist im § 95 GVG im Einzelnen definiert.

 

Rz. 133

Soweit der Beklagte seinen Verweisungsantrag nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG damit rechtfertigt, dass er zum Zeitpunkt der Klageerhebung Kaufmann war, so muss er im Handelsregister oder im Genossenschaftsregister gem. § 98 Abs. 1 S. 2 GVG eingetragen sein. Den Nachweis über die Eintragung sollte der Beklagte schon mit der Klageerwiderung durch Vorlage eines beglaubigten Handels- oder Genossenschaftsregisterauszuges führen.

 

Rz. 134

 

Hinweis

Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt/M.[68] soll die Verweisung zunächst die gesetzten Fristen, insbesondere die Klageerwiderungsfrist unberührt lassen. Ungeachtet der notwendigen Verweisung müsste dann also auf die Klage erwidert werden.

Dies erscheint jedoch nicht überzeugend, da die Frist durch ein unzuständiges Gericht gesetzt wurde. Auf jeden Fall sollte der Rechtsanwalt diese Frage aber klären und hilfsweise eine Verlängerung der Klageerwiderungsfrist beantragen, um Rechtsnachteile zu vermeiden.

 

Rz. 135

 

Hinweis

Ist die Verweisung des Rechtsstreits von der Zivilkammer an die Kammer für Handelssachen auf einen Antrag erfolgt, den der Beklagte entgegen § 101 Abs. 1 S. 2 GVG nach Ablauf der ihm eingeräumten Klageerwiderungsfrist gestellt hat, steht dies allerdings der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses nach § 102 S. 2 GVG regelmäßig nicht entgegen, sodass der Antrag auch noch später gestellt werden kann.[69] Erklärt sich darauf aber auch die Kammer für Handelssachen für unzuständig, ist dieser Umstand in einem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO[70] unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbotes zu berücksichtigen.[71]

 

Rz. 136

 

Praxistipp für den Kläger

Etwas anderes kann dann gelten, wenn die Zivilkammer seitens des Klägers auf die Überschreitung der Frist nach § 101 Abs. 1 S. 2 GVG hingewiesen worden oder sonst ein Anhalt dafür gegeben ist, dass sich die Zivilkammer leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass die Antragsfrist nach § 101 Abs. 1 S. 2 GVG unentschuldigt versäumt worden ist.[72] Will der Kläger das Verfahren also bei der Zivilkammer belassen, sollte er auf die Verweisungsfrist des § 101 GVG ausdrücklich hinweisen. Wurde der Kläger zum Verweisungsantrag nicht gehört, fehlt diesem die Bindungswirkung.[73]

 

Rz. 137

Liegt mit der Klage eine objektive Klagehäufung vor, wobei ein Teil der Ansprüche sich als Handelssache darstellt, während der andere Teil der Ansprüche als allgemeine Zivilsache zu gelten hat, so kann grundsätzlich gem. § 145 ZPO eine Prozesstrennung in Betracht kommen. In der Folge kann dann ein Teil vor der Zivilkammer und der andere Teil nach entsprechender Verweisung vor der Kammer für Handelssachen verhandelt und entschieden werden.

 

Rz. 138

 

Praxistipp

Durch ein solches Vorgehen kann der Beklagte zunächst die Entscheidung des Rechtsstreites verzögern. Dabei kann sich aus der Prozesstrennung auch für die rein zivilrechtlichen Ansprüche, die nicht vor die Kammer für Handelssachen gehören, eine Zuständigkeit der Amtsgerichte ergeben. Letztlich kann eine Trennung der Ansprüche dazu führen, dass dem Kläger hinsichtlich eines Teils der Ansprüche die Berufungsmöglichkeit als Streitwertberufung abgeschnitten wird. Zu beachten ist allerdings, dass durch die Trennung der Ansprüche regelmäßig in der Addition der dann folgenden beiden Prozesse höhere Kosten entstehen. Hierauf ist der Mandant ausdrücklich hinzuweisen.

 

Rz. 139

Stellt sich die Klage für einen von mehreren Beklagten nicht als Handelssache dar, so kann auch dieser isoliert einen Verweisungsantrag mit der Rüge der Unzuständigkeit der Kammer für Handelssachen st...

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