Rz. 83

Nach § 2056 BGB ist derjenige Abkömmling, der einen so hohen Vorempfang erhalten hat, dass er im Rahmen der Ausgleichung aus der Berechnung ausscheidet, nicht verpflichtet, einen über seinen Erbteil hinausgehenden Wert des bereits erhaltenen Vorempfangs in den Nachlass einzuzahlen. Der sog. Mehrempfang ist daher nach § 2056 S. 1 BGB nicht zurückzuerstatten. Dieser Grundsatz gilt auch bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs im Rahmen des § 2316 BGB.[109] Gegen denjenigen Abkömmling, der in einem solchen Fall bei der Ausgleichung ausscheidet und unberücksichtigt bleibt, kann allenfalls hinsichtlich des Mehrempfangs ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht werden, wenn die Zuwendung gleichzeitig auch eine Schenkung i.S.d. §§ 2325 ff. BGB darstellt.[110] Der zuviel Bedachte scheidet sowohl mit seinem Erbteil als auch mit seinem Vorempfang nach § 2056 S. 2 BGB aus der Berechnung der Erb- und Pflichtteile der übrigen Abkömmlinge aus.[111] Dies führt auf der einen Seite dazu, dass sich der Ausgleichungsnachlass verringert. Auf der anderen Seite erhöht sich dadurch jedoch der Teilungsquotient der in der Ausgleichung verbleibenden Erben.

 

Beispiel

Der verwitwete Erblasser E hinterlässt einen Nachlass mit einem Wert von 120.000 EUR. Er hat 4 Kinder A, B, C und D. A hat zu seinen Lebzeiten einen ausgleichungspflichtigen Vorempfang i.H.v. indexiert 80.000 EUR, B und C haben jeweils einen ausgleichungspflichtigen Vorempfang i.H.v. indexiert 40.000 EUR und D hat einen ausgleichungspflichtigen Vorempfang i.H.v. indexiert 20.000 EUR erhalten. Der Erblasser setzt seine Freundin F zu seiner Alleinerbin ein. Die Kinder A, B, C und D sind enterbt und machen ihren Pflichtteilsanspruch geltend.

 
Der Pflichtteilsanspruch des Kindes A berechnet sich wie folgt:
Tatsächlicher Nachlass 120.000,00 EUR
zzgl. Vorempfang des Kindes A 80.000,00 EUR
zzgl. Vorempfang des Kindes B 40.000,00 EUR
zzgl. Vorempfang des Kindes C 40.000,00 EUR
zzgl. Vorempfang des Kindes D 20.000,00 EUR
ergibt einen Ausgleichungsnachlass von 300.000,00 EUR
geteilt durch 4 ergibt dies einen Ausgleichungserbteil von je 75.000,00 EUR
abzgl. des Vorempfangs des Kindes A von 80.000,00 EUR
verbleibt für Kind A ein Ausgleichungserbteil und Pflichtteil von 0,00 EUR
Der Pflichtteilsanspruch der Kinder B (und C) berechnet sich wie folgt:
Tatsächlicher Nachlass 120.000,00 EUR
zzgl. Vorempfang des Kindes B 40.000,00 EUR
zzgl. Vorempfang des Kindes C 40.000,00 EUR
zzgl. Vorempfang des Kindes D 20.000,00 EUR
ergibt einen Ausgleichsnachlass von 220.000,00 EUR
geteilt durch 3 ergibt dies einen Ausgleichungserbteil von je 73.333,33 EUR
abzgl. des Vorempfangs des Kindes B von 40.000,00 EUR
verbleibt ein Ausgleichungserbteil von 33.333,33 EUR
hieraus ½ Ausgleichungspflichtteil = 16.666,67 EUR
Der Pflichtteilsanspruch des Kindes D berechnet sich wie folgt:
Ausgleichungserbteil 73.333,33 EUR
abzgl. Vorempfang des Kindes D 20.000,00 EUR
verbleibt ein Ausgleichungserbteil von 53.333,33 EUR
hieraus ½ Ausgleichungspflichtteil = 26.666,67 EUR

Aufgrund der Vorschrift des § 2056 BGB ist das Kind A jedoch nicht verpflichtet, den Differenzbetrag zwischen 80.000 EUR Vorempfang und dem ihm zustehenden Ausgleichungserbteil von 75.000 EUR = 5.000 EUR in den Nachlass einzubezahlen. Hieran kann den übrigen Pflichtteilsberechtigten allenfalls ein Pflichtteilsergänzungsanspruch unter den Voraussetzungen der §§ 2325 ff. BGB zustehen.[112]

[109] RGZ 77, 282; BGH NJW 1965, 1526; BGH FamRZ 1988, 280.
[110] RGZ 77, 282.
[111] BGH NJW 1965, 1526; BGH FamRZ 1988, 280; Schmidt, BWNotZ 1971, 29 ff.
[112] MüKo-BGB/Lange, § 2316 Rn 25.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge