Rz. 75

Als Erblasser ist grundsätzlich die Person anzusehen, deren Vermögen mit dem Tod auf den bzw. die Erben übergeht.[95] Fraglich ist allerdings, ob bei Ehegatten, die sich in einem gemeinschaftlichen Testament[96] jeweils als Alleinerben nach dem Tod des Erstversterbenden ("Vollerbe") und ihre Kinder als Erben des Überlebenden ("Schlusserben") eingesetzt haben,[97] tatsächlich nur der zuletzt Versterbende als Erblasser anzusehen ist.[98] In diesem Fall würden Zuwendungen des erstversterbenden Elternteils unberücksichtigt bleiben.

 

Rz. 76

Nach h.M. kann daher Erblasser i.S.d. §§ 2050 ff. BGB auch der erstverstorbene Elternteil sein, wenn die Erbfolge durch ein gemeinschaftliches sog. Berliner Testament oder einen inhaltlich entsprechenden Erbvertrag gestaltet wurde.[99] Begründet wird dies damit, dass bei der Einheitslösung die Vermögen beider Elternteile verschmelzen und letztlich eine einheitliche Vermögensmasse auf die zu Schlusserben bestimmten Abkömmlinge übergeht. Diese Einheitlichkeit des Vermögens der Eltern soll die Erweiterung des Erblasserbegriffs rechtfertigen,[100] nach der Vorempfänge des erstversterbenden Elternteils im Schlusserbfall berücksichtigt werden. Anderenfalls bliebe es im Ergebnis dem Zufall überlassen, ob ein Abkömmling einen Vorempfang ausgleichen muss, den er nur von einem Elternteil erhalten hat. Die Ausgleichung wäre davon abhängig, ob der zuwendende Elternteil der erst oder der zuletzt Versterbende ist.

[95] MüKo-BGB/Leipold, § 1922 Rn 5.
[96] Ggf. auch Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem LPartG.
[97] Sogenanntes Berliner Testament; im Zweifel gilt die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB.
[98] Beispiel: Erblasser E und Ehefrau F setzen sich gegenseitig zu Erben des jeweils Erstversterbenden und die gemeinsamen Abkömmlinge als Schlusserben des Überlebenden ein. E überträgt auf einen Abkömmling Vermögen mit einer Ausgleichungsbestimmung und verstirbt vor F. Die Frage ist nun, ob der Abkömmling die Zuwendung des E im Schlusserbfall zur Ausgleichung bringen muss, weil es an sich um den Nachlass der F und nicht des E geht.
[99] Sogenannter erweiterter Erblasserbegriff, vgl. MüKo-BGB/Ann, § 2052 Rn 2.
[100] RG LZ 1914, 1362 Nr. 19; RG WarnRspr 1938 Nr. 22 S. 52; zustimmend BGHZ 88, 102, 109.

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