Rz. 2

Das Gesetz betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt (BinSchG) vom 15.6.1895 in der Fassung der der Bekanntmachung vom 20.5.1898 enthält u.a. Regelungen über den Schiffseigner, den Ausrüster, den Schiffer, die Schiffsmannschaft, die Haverei, den Zusammenstoß von Schiffen, die Bergung und Hilfeleistung, die Schiffsgläubiger und die Verjährung. Es ist eine der wichtigsten Rechtsquellen für die Beurteilung der Unfallhaftpflicht im Rahmen der Binnenschifffahrt. Durch das Gesetz zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt vom 25.8.1998,[2][3] das am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten ist,[4] ist ein für die Binnenschifffahrt sehr bedeutender Wandel des Haftungssystems vollzogen worden, nämlich die Ersetzung des in § 4 BinSchG bis dahin geltender Fassung geregelten Systems der dinglich-beschränkten Haftung durch das System der persönlichen, jedoch summenmäßig beschränkten Haftung, mit anderen Worten: Der Übergang vom System der Exekutionshaftung zur Summenhaftung.[5]

 

Rz. 3

Das deutsche Transportrecht – auf das im Rahmen der vorliegenden Skizzierung des Binnenschifffahrtsunfallhaftpflichtrechts nicht vertieft eingegangen werden kann – wurde zunächst durch das Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (Transportrechtsreformgesetz) vom 25.6.1998[6] neu geregelt. Das innerstaatliche Recht der Güterbeförderung ist für alle Transportarten im Handelsgesetzbuch kodifiziert. Allerdings besteht eine Ausnahme für das Binnenschifffahrtsrecht. Zwar gilt das Frachtrecht der §§ 407 ff. HGB auch für die Binnenschiffsbeförderung, doch finden daneben noch einige speziell schifffahrtsrechtliche Rechtsinstitute Anwendung, nämlich die Vorschriften über die Reisenotlagen – Bergung, Zusammenstoß und Große Haverei – und die binnenschifffahrtsrechtliche Haftungsbeschränkung.[7] Nach eingehenden Beratungen der Vorschläge einer im Jahre 2004 eingesetzten Sachverständigengruppe beschloss die Bundesregierung im Mai 2012 den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Seehandelsrechts. Dieser Entwurf wurde – mit einigen Änderungen – vom Deutschen Bundestag beschlossen. Das Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts (SeeHaRefG) v. 20.4.2013[8] trat am 25.4.2013 in Kraft. Kernstück der Reform ist das (im Transportrechtsreformgesetz von 1998 noch ausgeklammerte) im Fünften Buch des Handelsgesetzbuchs kodifizierte Seehandelsrecht. Zugleich wurden im allgemeinen Transportrecht und im Binnenschifffahrtsrecht einzelne Korrekturen vorgenommen. So wurden die Partenreederei und das seerechtliche Verklarungsverfahren abgeschafft.

 

Rz. 4

Die ursprüngliche Absicht, auch das in den §§ 11 ff. BinSchG geregelte binnenschifffahrtsrechtliche Verklarungsverfahren abzuschaffen, stieß auf den erklärten Widerstand der Praxis und wurde deshalb aufgegeben. Die Regelungen über die rechtliche Abwicklung von Havarien (Große Haverei) wurden gestrafft; Sonderregelungen wurden aufgehoben (uneigentliche Haverei, die kleine Haverei und die besondere Haverei, siehe dazu auch unten Rdn 44). Die quasi-vertragliche Haftung des Kapitäns für die Ausführung der vom Reeder abgeschlossenen Verträge wurde aufgegeben. Im Seefrachtrecht wird nunmehr klar zwischen dem Stückgut- und Reisefrachtvertrag (§§ 481, 527 HGB) unterschieden und die Vorschriften über die Abwicklung der Beförderung wurden stärker an die Vorschriften im Vierten Buch des Handelsgesetzbuchs über das Frachtgeschäft sowie an die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften im BGB angelehnt. Darüber hinaus wird erstmals die Verwendung elektronischer Konnossemente und Seefrachtbriefe ermöglicht (§ 408 Abs. 3, § 526 Abs. 3 HGB). Die Haftungsregelungen werden dagegen auch weiterhin vom Internationalen Abkommen vom 25.8.1924 zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente ("Haager Regeln") sowie durch das Protokoll vom 23.2.1968 zur Änderung der Haager Regeln ("Visby-Regeln") ausgestaltet. Eine Ausnahme gilt insoweit nur für Feuer und für nautisches Verschulden. Für diese Fälle verzichtet das Gesetz auf die Normierung eines Ausschlusses der Haftung des Verfrachters und überlässt es den Vertragsparteien, einen solchen Haftungsausschluss zu vereinbaren. Im Verhältnis zu den Vertragsstaaten der Haager Regeln bleibt es allerdings bei einem gesetzlichen Haftungsausschluss, da Deutschland als Vertragsstaat der Haager Regeln insoweit völkerrechtlich verpflichtet ist. Erstmals werden in einem eigenständigen Abschnitt die Schiffsüberlassungsverträge, nämlich die Bareboat-Charter und die Zeitcharter geregelt und damit die Abgrenzung dieser Vertragstypen vom Seefrachtvertrag erleichtert. Die Haftung des Beförderers für Schäden von Passagieren auf kleineren Seeschiffen sowie auf Binnenschiffen wird in Anlehnung an die EG-VO 392/2009 über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See verschärft. Der Arrest von Schiffen wird nicht mehr davon abhängig gemacht, dass ohne ihn die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.

Es wurd...

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