Rz. 66

Muster 6.6: Klage gegen den Widerruf einer Flüchtlingsanerkennung

 

Muster 6.6: Klage gegen den Widerruf einer Flüchtlingsanerkennung

Verwaltungsgericht Hamburg

Lübeckertordamm 4

20099 Hamburg

per beA

Klage

der _____, geb. am _____, wohnhaft _____

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: _____

gegen

die Bundesrepublik Deutschland, diese vertreten durch den Bundesminister des Innern, dieser vertreten durch den Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in 90343 Nürnberg,

– Beklagte –

wegen: Asylrecht

Namens und in Vollmacht der Klägerin – Vollmacht anbei – erhebe ich Klage und beantrage,

1. den Bescheid der Beklagten vom _____ zum Gz. _____, zugestellt am _____, aufzuheben;
2. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5, 7 S. 1 AufenthG festzustellen.

Daneben beantrage ich

Akteneinsicht in jegliche Verwaltungsvorgänge der Beklagten

und bitte um die Übersendung in mein Büro.

Die Klage begründe ich zunächst wie folgt:

A.

Die Klägerin ist irakische Staatsangehörige.

Sie reiste am _____ in das Bundesgebiet ein und stellte am _____ einen Asylantrag. Mit Bescheid vom _____ wurde der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Gz. bei der Beklagten: _____). Die Flüchtlingsanerkennung gründete sich auf die Verfolgung der Familie ihres Ex-Mannes, mit dem sie noch während ihrer Minderjährigkeit zwangsverheiratet worden war und von dem sie sich im Alter von 20 Jahren getrennt hatte, und woraufhin sie das Land verlassen hatte.

Auch zwischenzeitlich und weiterhin erhielt und erhält die Klägerin unmittelbar und mittelbar gegenüber ihren Familienangehörigen Drohungen, dass sie getötet werde, wenn die Familie des Ex-Mannes sie aufspüre.

Anlage K1: _____

Zwei Jahre nach der Anerkennung als Flüchtling, im _____, reiste die Klägerin in den Irak, um ihre kranke und im Sterben liegende Mutter zu besuchen. Sie hielt sich während der Reise allein bei ihrer Mutter auf, die in _____ wohnt, und damit etwa 200 km entfernt von der Familie des Ex-Mannes.

Mit Schreiben vom _____ eröffnete die Beklagte der Klägerin, ein Widerrufsverfahren durchzuführen, und begründete dies damit, dass sich die Klägerin im Irak aufgehalten hatte und daher keines Schutzes mehr bedürfe. Die Klägerin erwiderte demgegenüber mit Schreiben vom _____ und unter Vorlage von Nachweisen von der Reise, dass sie sich allein bei der Mutter aufgehalten habe. Insofern wird auf den Inhalt der Akte bei der Beklagten verwiesen.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde sodann die Flüchtlingsanerkennung der Klägerin widerrufen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage.

B.

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen von § 73 AsylG liegen nicht vor.

I.

Es liegt auch nach den bisherigen Ausführungen der Beklagten kein Wegfall der Umstände im Sinne des § 73 Abs. 1 AsylG vor, die die Schlussfolgerung zulassen, dass die Klägerin es nunmehr nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.

Eine Änderung der Sachlage in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse geändert haben (BVerwGE 112, 80 = NVwZ 2001, 335). Dafür bietet der vorliegende Sachverhalt keine Anhaltspunkte – im Gegenteil legen die weiterhin bestehenden Drohungen den Schluss nahe, dass die Bedrohungslage für die Klägerin sich nicht geändert hat und ihr eine Rückkehr nicht zugemutet werden kann, da weiterhin zu erwarten ist, dass im Fall eines längeren Aufenthalts im Irak die Familie des Ex-Mannes die Klägerin aufspüren und ihr nach dem Leben trachten wird.

II.

Selbst wenn man außer Betracht lässt, dass Reisen und der Aufenthalt im Herkunftsstaat systematisch ein Fall des Erlöschens der Flüchtlingseigenschaft nach § 72 AsylG und nicht des Widerrufs sein können, führt eine Reise in den Herkunftsstaat, in dem die festgestellte Bedrohung vorliegt, nicht zwingend zu einer Aufhebung des Schutzstatus.

Stattdessen erlischt eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 72 Abs. 1 Nr. 1, 1a AsylG nur dann, wenn der Betreffende "sich freiwillig […] erneut dem Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt", oder "freiwillig in das Land, das er aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen er sich aus Furcht vor Verfolgung befindet, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat".

Eine kurzzeitige Rückkehr ist derweil dann keine freiwillige Rückkehr und lässt nicht auf eine ernsthafte Schutzunterstellung schließen, wenn die Person dort einer sittlichen Pflicht nachkommt (BVerwGE 89, 232, 235 ff. = NVwZ 1992, 679, 681), wie dies auch für den Besuch von engen Verwandten zutrifft, die sehr krank sind oder im Sterben liegen.

Der streitgegenständliche Bescheid anbei.

Weiterer Sachvortrag erfolgt ggf. nach Akteneinsicht und nach Erwiderung durch die Beklagte.

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