Rz. 43

Die vom BAMF in jedem Asylverfahren (§ 24 Abs. 2 AsylG) ggf. nachrangig oder kraft eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG zu prüfenden Abschiebungsverbote werden als nationale Abschiebungsverbote bezeichnet, da sie – im Gegensatz zur Flüchtlingsanerkennung und zum subsidiären Schutz – keinen unmittelbaren Ursprung im Unionsrecht haben. Die entsprechende Entscheidung des BAMF ist gem. § 42 AsylG für die zuständige Ausländerbehörde bindend.

 

Rz. 44

§ 60 Abs. 5 AufenthG rekurriert auf die Bestimmungen der EMRK. Besondere Relevanz haben in diesem Zusammenhang Art. 2 Abs. 1 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter und unmenschlicher Behandlung) und Art. 6 EMRK (Recht auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren). Daneben können u.a. Art. 4 EMRK (Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit), Art. 7 EMRK (keine Strafe ohne Gesetz), Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), Art. 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) und Art. 10 EMRK (Recht auf freie Meinungsäußerung) oder Art. 12 EMRK (Recht auf Eheschließungsfreiheit) ein Abschiebungsverbot nach sich ziehen. Die historische Grundlage dieses Zusammenspiels zwischen dem Migrationsrecht und der an sich nur die europäischen Konventionsstaaten bindenden EMRK ist die Entscheidung des EGMR im Soering-Urteil,[14] wonach sich eine Abschiebung oder Auslieferung dann nach der EMRK verbietet, wenn im Zielstaat, der nicht zwingend Konventionsstaat sein muss, eine menschenrechtswidrige Behandlung droht.

 

Rz. 45

Das Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG verlangt eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit und ist insbesondere bei Erkrankungen von Bedeutung. § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG konkretisiert insofern, dass eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vorliegt "bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden". § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG normiert daneben, dass der Antragsteller auf eine alternative Versorgung in einem anderen Teil des Zielstaates verwiesen werden kann.

 

Rz. 46

Durch § 60 Abs. 7 S. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2c S. 2, 3 AufenthG werden schließlich die Anforderungen an den Nachweis von Erkrankungen konkretisiert. Diese formalen und materiellen Voraussetzungen statuieren gravierend hohe Hürden für Antragsteller, für die es aus soziokulturellen, zeitlichen und sprachlichen Gründen erfahrungsgemäß schwer bis unmöglich ist, entsprechende Nachweise vorzulegen – nicht zuletzt bei fluchtspezifischen psychischen Erkrankungen wie einer Posttraumatischen Belastungsstörung, deren Diagnose Zeit verlangt und bei der der zweifelsfreie Nachweis einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung im Verfahren beim BAMF fast nie und in gerichtlichen Verfahren nur selten gelingt. Praktisch ist es daher besonders wichtig, als anwaltliche Vertretung mit den zuständigen Ärzten in Kontakt zu treten, um sie auf die formalen Voraussetzungen der Nachweise hinzuweisen.

 

Rz. 47

Ergeht ein Bescheid, mit dem das Vorliegen eines Abschiebungsverbots festgestellt wird, kann die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG unter den dort genannten Voraussetzungen erfolgen, wobei auch hier von den Erteilungsvoraussetzungen von § 5 Abs. 1, 2 AufenthG abzusehen ist (§ 5 Abs. 3 AufenthG).

[14] EGMR v. 7.7.1989, EuGRZ 1989, 314, 321.

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