I. Typische Sachverhalte

 

Rz. 50

Die Mandantin wurde in Afghanistan wegen des Betriebs einer Schule für Mädchen von den Taliban verfolgt; sie befindet sich im Asylverfahren und fragt nach den Auswirkungen ihres Asylverfahrens für die rechtliche Situation ihres Ehemannes und ihrer Kinder.

II. Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 51

Gem. § 26 AsylG können Familienangehörige von Personen, die als Asylberechtigte, Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte (§ 26 Abs. 5 AsylG) anerkannt sind, den gleichen Schutzstatus erhalten. Die Norm ist damit von den Regelungen des Familiennachzugs zu unterscheiden, die Familienangehörigen von Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis außerhalb des Asylverfahrens die Möglichkeit eines akzessorischen Aufenthaltsrechts geben.

 

Rz. 52

Die Prüfung dieses Familienasyls erfolgt innerhalb eines regulären Asylverfahrens, kann nicht isoliert beantragt werden und muss richtigerweise subsidiär gegenüber einer individuellen Prüfung nach den §§ 3, 4 AsylG stattfinden. Die Norm ist derweil auch dann anwendbar, wenn der Asylantrag individuell zunächst unzulässig gem. § 29 AsylG wäre.[15] Persönlich anwendbar ist die Norm in drei Konstellationen: für den Ehegatten oder Lebenspartner des gemeinhin als "Stammberechtigter" bezeichneten Schutzberechtigten (§ 26 Abs. 1 AsylG), für das minderjährige Kind (§ 26 Abs. 2 AsylG) und für die Eltern (§ 26 Abs. 3 AsylG). Ergänzend stellt § 26 Abs. 4 S. 2 AsylG klar, dass eine doppelte Ableitung des Schutzstatus, mithin von einem Familienangehörigen, der selbst bereits akzessorischen Schutz nach § 26 AsylG genießt, grundsätzlich nicht möglich ist.

 

Rz. 53

Zu beachten ist, dass die Entscheidung des in Bezug genommenen Familienangehörigen unanfechtbar sein muss (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Das bedeutet, dass in denjenigen Konstellationen, in denen sich die Familienangehörigen noch beiderseits im behördlichen oder gerichtlichen Verfahren befinden, eine Ableitung des Schutzstatus im Wege einer gleichzeitigen Entscheidung nicht möglich ist, sondern erst die Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Stammberechtigten abgewartet werden muss. In diesen Fällen bietet es sich aus prozessökonomischen Gründen an, gegenüber dem jeweiligen Gericht die Abtrennung der Verfahren gem. § 93 VwGO anzuregen.

 

Rz. 54

Umstritten ist die in der Praxis nicht seltene Frage, ob das Familienasyl nur dann gewährt werden darf, wenn die Familienangehörigen die gleiche Staatsangehörigkeit besitzen. Derweil gibt weder § 26 AsylG noch das zugrunde liegende Unionsrecht einen Anhaltspunkt für einen derartigen Ausschluss von Familienangehörigen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit. Die Frage liegt auf Vorlage des BVerwG noch dem EuGH vor.[16]

[15] OVG Magdeburg v. 19.2.2019 – 4 L 201/17, BeckRS 2019, 5041.
[16] BVerwG v. 18.12.2019 – 1 C 2.19, BeckRS 2019, 37866.

III. Checkliste

 

Rz. 55

Welche Familienangehörigen befinden sich in welchem Verfahrensstatus in Deutschland?
Wann haben die Eheleute geheiratet?
Liegen Nachweise zur familiären Beziehung vor?

IV. Muster: Klage gegen die Ablehnung von Familienasyl

 

Rz. 56

Muster 6.5: Klage gegen die Ablehnung von Familienasyl

 

Muster 6.5: Klage gegen die Ablehnung von Familienasyl

Verwaltungsgericht Münster

Manfred-von-Richthofen-Straße 8

48145 Münster

per beA

Klage

des _____, geb. am _____, wohnhaft _____

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte: _____

gegen

die Bundesrepublik Deutschland, diese vertreten durch den Bundesminister des Innern, dieser vertreten durch den Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in 90343 Nürnberg,

– Beklagte –

wegen: Asylrecht

Namens und in Vollmacht des Klägers – Vollmacht anbei – erhebe ich Klage und beantrage,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom _____ zum Gz. _____, zugestellt am _____, zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu gewähren, hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5, 7 S. 1 AufenthG festzustellen.

Daneben beantrage ich

Akteneinsicht in jegliche Verwaltungsvorgänge der Beklagten

und bitte um die Übersendung in mein Büro.

Die Klage begründe ich zunächst wie folgt:

A.

Der Kläger ist russischer Staatsangehöriger. Er reist am _____ in das Bundesgebiet ein und stellte am _____ einen Asylantrag. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war der Kläger damit noch minderjährig. Am _____ wurde der Kläger 18 Jahre alt.

Der Vater des Klägers, der bereits am _____ nach Deutschland eingereist war, war mit Bescheid vom _____ ausweislich seiner oppositionellen Aktivitäten und mehrfacher Verhaftungen als Flüchtling anerkannt.

Mit Bescheid vom _____ lehnte die Beklagte derweil den Asylantrag des Klägers ab. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass der Kläger erstens bereits volljährig sei und damit eine Ableitung des Schutzstatus nach § 26 AsylG vom Vater nicht mehr möglich sei. Zweitens lägen in der Person des Klägers selbst weder relevante Verfolgungsgründe noch Abschiebungsverbote vor.

B.

Die zulässige Klage ist auch begründet.

I.

Erstens ergibt sich aus dem vorgetragenen Sachverhalt, dass dem Kläger bereits selbst im Fall einer Rückkehr eine flüchtlingsre...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge