Rz. 93

Der Haushaltsführungsschaden im Tötungsfall ist ein Anspruch der Hinterbliebenen und als solcher ein Unterhaltsschaden. Hinterbliebene in diesem Sinne sind Ehepartner und Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft sowie eigene und adoptierte Kinder des Getöteten nicht jedoch Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. § 844 Abs. 2 BGB gewährt den Hinterbliebenen eines getöteten Haushaltsführenden einen Schadensersatzanspruch wegen der entgangenen Haushaltstätigkeit. Anknüpfungspunkt ist die gesetzliche Unterhaltspflicht des Getöteten für den hinterbliebenen Ehepartner, Lebensgemeinschaftspartner und die Halbwaisen. Die nachfolgenden Ausführungen betreffen deshalb immer auch die eingetragene Lebenspartnerschaft. Nach § 5 LPartG sind die Lebenspartner einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die partnerschaftliche Lebensgemeinschaft angemessen zu unterhalten. § 5 Abs. 1 LPartG verweist auf § 1360 S. 2 BGB, so dass die nachfolgenden Ausführungen zu § 1360 BGB für alle Formen des gesetzlich begründeten Unterhaltsanspruchs gleichzeitig gelten. Nach § 1360 BGB sind Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushaltes.

 

Rz. 94

Auf der ersten Stufe enthält § 1360 BGB die Leitbilder, in denen gesetzlicher Unterhalt geschuldet wird. Innerhalb der Ehe entscheiden sich die Partner für eines dieser Leitbilder oder verändern die Entscheidung von einem Leitbild weg und zu einem anderen Leitbild hin, wenn sich die privaten Parameter entsprechend verändert haben. Die Leitbilder sind: die sogenannte Haushaltsführungsehe, die Doppelverdiener-Ehe sowie die Zuverdiener-Ehe. In der Realität hat sich jedoch ein weiteres Leitbild entwickelt, welches hier als "modernes Leitbild" bezeichnet werden soll. Es ist immer mehr zu beobachten, dass beide Partner in der Ehe – insbesondere wenn Kinder vorhanden sind – einer Teilzeitbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt nachgehen und auf der anderen Seite sich beide in der verbleibenden Zeit gemeinsam in die Haushaltsführung einbringen und die Kinder entsprechend auch gemeinsam erziehen.

Auf der zweiten Stufe räumt § 1360 BGB den Eheleuten ein, die inhaltliche Ausgestaltung dieser Leitbilder individuell vorzunehmen. Geschuldet ist die Erwerbstätigkeit auf der einen Seite und die Haushaltsführung auf der anderen Seite, so wie es dem Einvernehmen beider Gatten entspricht. Diese Absprachen über die jeweilige Aufteilung der Anteile der Haushaltsführung, die die Eheleute untereinander getroffen haben, sind schadensersatzrechtlich vollumfänglich zu berücksichtigen. Konkret bedeutet dies, dass der Schädiger diese Absprachen akzeptieren muss, es sei denn, sie stehen in einem offensichtlichen Missverhältnis zueinander (BGH VersR 1983, 688). Ein offensichtliches Missverhältnis wäre es beispielsweise, wenn beide Partner zu 50 % berufstätig sind und gleichwohl die Absprache besteht, dass die Ehefrau 100 % des Haushalts führt und alleine die Kinder betreut, während dem Ehemann keine Mithilfepflicht obliegt. Eine solche Absprache wäre in der Schadensregulierung nicht berücksichtigungsfähig.

 

Praxistipp

Der Anwalt, der den Haushaltsführungsschaden berechnet, sollte daher als erstes den Mandanten danach befragen, wie die Absprache zum Umfang der Haushaltsführung aussah.

 

Rz. 95

Die inhaltliche Ausgestaltung eines der vorgenannten Leitbilder zur Konkretisierung der Mithilfepflicht wird auch als Einvernehmensregelung der Partner bezeichnet. Das, was die Ehegatten für sich als stimmig kommuniziert und gelebt haben hinsichtlich der jeweiligen Versorgungsanteile in der Haushaltsführung für den gesamten Haushalt, ist dasjenige, was im Tötungsfall bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs als Mithilfepflicht bezeichnet wird. Der Umfang der Mithilfepflicht bestimmt sich also nach dem Umfang der geleisteten Haushaltsführungstätigkeit vor dem Schadensereignis. Mit anderen Worten: Das, was der überlebende Ehegatte im Rahmen der Ehe in der Haushaltsführung als Beitrag geleistet hat, stellt die Mithilfepflicht dar, die bei der Anspruchsberechnung nach § 844 Abs. 2 BGB ebenfalls wieder Anrechnung findet. Die Mithilfepflicht vergrößert sich nicht im Tötungsfall und sie verringert sich nicht im Tötungsfall. Rechnerisch bleibt sie konstant.

 

Rz. 96

Die Mithilfepflicht für Kinder hat die Rechtsprechung in etwa bei einem Alter von 12 bis 14 Jahren angenommen, wobei die Mithilfepflicht 1 Std./Tag beträgt (BGH v. 24.4.1990, VersR 1990, 907; OLG München v. 14.8.1981, VersR 1982, 376). Nach § 1619 BGB sind Kinder im elterlichen Haushalt, soweit sie von den Eltern erzogen und unterhalten werden, ebenfalls verpflichtet, nach ihren Kräften familiäre Dienste zu leisten. Damit ist eine Unterhaltsverpflichtung von Kindern für den Familienunterhalt in gewisser Hinsic...

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