Rz. 62

Das BVerfG und das BVerwG gehen mittlerweile davon aus, dass der einmalige oder nur gelegentliche Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr für sich genommen gerade nicht als hinreichendes Verdachtselement für eine fehlende Fahreignung zu bewerten ist.[104]

 

Rz. 63

Diese Grundsätze gelten aber bei Alkohol nicht, weil in der Wissenschaft mittlerweile anerkannt ist, dass höhere Alkoholwerte nur nach einem jahrelangen Trinktraining erreicht werden können, so dass gegenüber demjenigen, der – auch außerhalb des Straßenverkehrs – mit hohen Alkoholwerten angetroffen wird, Eignungszweifel bestehen können.[105]

 

Rz. 64

Bereits in einem Urt. v. 15.7.1988 ist das BVerwG dabei davon ausgegangen, dass Personen, die Blutalkoholwerte von 1,6 Promille und mehr erreichen, regelmäßig – auch wenn sie so genannte Ersttäter sind – an einer dauerhaften ausgeprägten Alkoholproblematik leiden.[106] Diese Überlegung gilt erst recht bei höheren BAK-Werten.[107] Das BVerwG hatte dann bestätigt, dass bei einem Kraftfahrer mit einer Blutalkoholkonzentration zwischen 1,6 und 2,0 Promille durchaus der Verdacht auf eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung nahe liegt.[108] Dann aber ist bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung die ernsthafte Besorgnis begründet, der Betroffene werde sich als Führer eines Kfz nicht verkehrsgerecht verhalten und damit eine Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr und für andere Verkehrsteilnehmer und deren Grundrechte darstellen.[109] Ab 1,3 Promille Blutalkohol kann davon ausgegangen werden, dass eine erhebliche Trinkfestigkeit besteht, die eine entsprechende Alkoholgewöhnung voraussetzt, die über ein Trinkverhalten erworben wird, das über dem gesellschaftlichen Konsum von Alkohol liegt. Je weiter die festgestellte Blutalkoholkonzentration über 1,4 Promille liegt, desto näher liegt der begründete Verdacht, dass bei dem Betroffenen eine Alkoholproblematik (nicht gleichzusetzen mit einer Alkoholabhängigkeit!) vorliegt. Nach einer Definition des US-Department of Transport gelten Personen, die mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,5 Promille angetroffen werden, bereits als Problemtrinker.[110]

 

Rz. 65

Die Feststellung schwerer Alkoholisierung gibt danach Anlass zur Annahme, dass eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung gegeben ist. Dies wiederum begründet den konkreten Verdacht, dass der Betroffene häufig und in großen Mengen Alkohol zu sich nimmt. Die Annahme von Alkoholmissbrauch ist vor allem dann aber gerechtfertigt, wenn zusätzliche Umstände erschwerend hinzutreten.[111]

[104] BVerwG zfs 2002, 47; BVerfG zfs 2002, 454, 459; auch aus der Feststellung des unerlaubten Besitzes einer kleinen Menge Haschisch allein kann nicht auf das ständige Vorhandensein fahreignungsrelevanter körperlich-geistiger Leistungsdefizite geschlossen werden (BVerfG zfs 2002, 454, 459; 2002, 460). Ebenso wenig kann aus der Feststellung des unerlaubten Besitzes einer kleinen Menge Haschisch der Schluss gezogen werden, dass der betroffene Kraftfahrer nicht in der Lage oder nicht Willens ist, zuverlässig zwischen Drogenkonsum und der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen (BVerfG zfs 2002, 454, 459 f.; 2002, 460). Um ein ausreichendes Verdachtselement begründen zu können, müssen hier zusätzliche Anhaltspunkte (wie z.B. Führen eines Kfz unter Drogeneinfluss, erheblicher Haschischmissbrauch über einen längeren Zeitraum) hinzutreten (BVerfG zfs 2002, 454, 460).
[105] Gebhardt, § 60 Rn 30; vgl. auch VGH BW zfs 2002, 504, 507.
[106] BVerwGE 80, 43, 45; vgl. auch BVerwGE 80, 340; zfs 1994, 269; 1996, 76, 77.
[107] NdsOVG zfs 1995, 349.
[108] BVerwG 11 B 7.93.
[109] BVerwG zfs 1994, 269, 270.
[110] Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung – Kommentar, 2. Auflage 2005, Anmerkung 1.2.1 zu Nr. 3.11.1, S. 132.
[111] VGH BW zfs 2002, 504, 506.

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