Rz. 79

Der Verfahrensmangel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO entspricht dem Verfahrensmangel in § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.[97] Dieser muss vorliegen, geltend gemacht werden und die Entscheidung muss auf ihm beruhen. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die den Verfahrensablauf regelt und den Weg zum Urteil sowie die Art und Weise des Urteilserlasses. Erfasst werden nur Mängel des gerichtlichen Verfahrens der Instanz, die der Berufung vorangegangen ist, nicht solche des Verwaltungsverfahrens.[98]

 

Rz. 80

Zu nennen ist hier zunächst die unzureichende Sachverhaltsaufklärung[99] mit Sachverhalts- und Beweiswürdigung sowie dem Aufklärungsmangel.[100] Dabei ist anerkannt, dass ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich nicht verletzt, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht gemäß § 86 Abs. 2 VwGO ausdrücklich beantragt hat.[101] Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Vorinstanz, vor allem das Unterlassen förmlicher Beweisanträge zu kompensieren.[102] Hat der Prozessbevollmächtigte weder schriftsätzlich einen entsprechenden Beweisantrag angekündigt oder angeregt, noch einen entsprechenden Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung gestellt und musste sich dem VG die Beweiserhebung nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung auch nicht aufdrängen,[103] so liegt ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht des § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht vor.[104]

 

Rz. 81

Wird im Rahmen der Anfechtung einer Fahrtenbuchauflage geltend gemacht, dass es erforderlich gewesen sei, einen Polizeibeamten gerichtlich zu vernehmen, so kann ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz gemäß § 96 Abs. 1 VwGO gerügt worden sein. Das VG darf seine Tatsachenfeststellungen insoweit nicht alleine auf beigezogene Akten und darin enthaltene Vernehmungsprotokolle stützen, als eine Zeugenvernehmung von einem Beteiligten ausdrücklich beantragt wird oder sich aus anderen Gründen dem Gericht aufdrängen muss.[105] Dann, wenn der Betroffene die Richtigkeit eines von einem Zeugen schriftlich geschilderten Geschehens bestreitet, wird grundsätzlich eine Zeugenvernehmung im Rahmen der mündlichen Verhandlung erforderlich sein. Notwendig ist hier aber ein substantiiertes Bestreiten der Richtigkeit der Beobachtungen des Zeugen.[106]

 

Rz. 82

Eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch eine Entscheidung des VG führt grundsätzlich zur Zulassung der Berufung wegen Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Dieser Verfahrensverstoß muss aber für die Entscheidung des VG erheblich gewesen sein.[107] Beim Verfahrensverstoß gegen das "rechtliche Gehör" (Art. 103 Abs. 1 GG) sind auch die Anhörungsrüge (§ 152a VwGO, vgl. dazu Rdn 180) sowie die Gegenvorstellung (vgl. Rdn 192 ff.) in Erwägung zu ziehen.[108]

[97] Kopp/Schenke, § 124 Rn 13 m.w.N.; vgl. dazu insgesamt Guckelberger, DÖV 1999, 937, 943; Johlen, NWVBl. 1999, 41, 44; VGH BW, zfs 2003, 268.
[98] Fehling/Kastner, Verwaltungsrecht, § 132 VwGO Rn 20; eine sehr umfangreiche Aufzählung und Kommentierung von Verfahrensmängeln findet sich in Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn 189 ff.
[99] OVG NRW NVwZ-RR 1997, 759; VGH BW VBlBW 1997, 420, 421; VGH BW zfs 2003, 268.
[100] Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn 189 ff.
[101] St. Rspr., vgl.: BVerwG, Beschl. v. 24.11.1977 – VI B 16.77, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 161; NdsOVG, Beschl. v. 1.2.2013 – 12 LA 122/12, zfs 2013, 236; NdsOVG, Beschl. v. 16.9.2009 – 12 LA 200/08; Kopp/Schenke, VwGO, § 124 Rn 13 m.w.N.
[102] BVerwG, Beschl. v. 5.8.1997 – 1 B 144.97, NVwZ-RR 1998, 784; NdsOVG, Beschl. v. 1.2.2013 – 12 LA 122/12, zfs 2013, 236.
[103] Dazu: BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997 – 7 B 261.97, NJW 1997, 3328.
[104] NdsOVG, Beschl. v. 1.2.2013 – 12 LA 122/12, zfs 2013, 236: Die Klägerin hatte dort im Rahmen des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gegen eine Fahrtenbuchanordnung geltend gemacht, das VG habe nicht allein anhand des Abgleichs des Lichtbildes der Meldebehörde mit dem bei dem Verkehrsverstoß gefertigten Foto die Frage der Personenidentität verneinen dürfen. Das Lichtbild der Meldebehörde sei nämlich veraltet. Vielmehr hätte sich das Gericht einen eigenen Eindruck von Herrn C. verschaffen müssen. Dazu hätte es das persönliche Erscheinen anordnen müssen, um einen entsprechenden Abgleich vornehmen zu können. Mit dieser, auf einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht des § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO gerichteten, Rüge ist die Klägerin nicht durchgedrungen.
[105] BVerwG Buchholz 310 § 96 Nr. 37 m.w.N.; OVG RP, Beschl. v. 28.4.1999 – 7 A 10772/99, zfs 2000, 131.
[106] OVG RP, Beschl. v. 28.4.1999 – 7 A 10772/99, zfs 2000, 131.
[107] VGH BW VBlBW 2000, 108.
[108] Dazu Fehling/Kastner, Verwaltungsrecht, § 124 VwGO Rn 89; vgl. auch Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn 195, der die Versagung rechtlichen Gehörs ausdrücklich als Verfahrensmangel i.S.d. 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO benennt.

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