Rz. 174

Eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung liegt nur vor, wenn sich aus den fristgerecht vorgetragenen Gesichtspunkten die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses ergibt.[180] Die den angefochtenen Beschluss tragenden Rechtssätze oder die tatsächlichen Annahmen, auf denen diese Entscheidung beruht, müssen mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.[181] An die Darlegung sind nicht geringe Anforderungen zu stellen. Die dem Revisionsrecht nachgebildete Darlegungspflicht bestimmt als selbstständiges Zulassungserfordernis den Prüfungsumfang des Rechtsmittelgerichts. Sie verlangt fallbezogene und aus sich heraus verständliche und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinander setzen,[182] wobei das OVG/der VGH nur die dargelegten Gründe zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 S. 3, S. 6 VwGO). Das bloße Benennen oder Geltendmachen eines Anfechtungsgrundes genügt dem Darlegungserfordernis ebenso wenig wie eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens oder gar eine – ergänzende – Bezugnahme hierauf.[183]

 

Rz. 175

Eine zulässige Bezugnahme in einem nach § 146 Abs. 4 VwGO zu beurteilenden Beschwerdeverfahren liegt aber dann vor, wenn durch die Verweisung weder das Gebot der "Auseinandersetzung" mit der angefochtenen Entscheidung missachtet noch die durch § 146 Abs. 4 VwGO beabsichtigte Beschleunigung von Beschwerdeverfahren gefährdet wird. Letztgenanntes Erfordernis ist gewahrt, wenn die Bezugnahme hinreichend konkret erfolgt, namentlich das Aktenstück, auf das verwiesen wird, genau bezeichnet ist, dieses Schriftstück seinerseits den nach § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO an eine Beschwerdebegründung zu stellenden Anforderungen entspricht und es sich entweder bei den dem OVG vorliegenden Akten befindet oder es innerhalb offener Beschwerdebegründungsfrist dort eingereicht wird.[184]

 

Rz. 176

Insgesamt ist aber beim Darlegungserfordernis andererseits auch zu beachten, dass es nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet wird, welche die Beschreitung des Rechtsweges in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert.[185] Überzogene und überspannte Anforderungen widerstreiten Art. 19 Abs. 4 GG.

 

Rz. 177

Die Darlegungsanforderungen bestimmen sich aber immer an den Umständen des jeweiligen Verfahrens. Je eilbedürftiger das Verfahren ist, umso geringer sind die Anforderungen an die Darlegung.[186]

[180] BayVGH SVR 2011, 38 = BayVBl 2011, 189.
[181] VGH BW NVwZ 2002, 1388, 1389; BayVGH SVR 2011, 38 = BayVBl 2011, 189.
[182] BayVGH SVR 2011, 38 = BayVBl 2011, 189 m.w.N.
[183] VGH BW NVwZ-RR 2002, 797; BayVGH SVR 2011, 38 = BayVBl 2011, 189.
[184] BayVGH BayVBl 2007, 241 = VRS Bd. 112 [2007], S. 152, 153.
[185] NdsOVG zfs 2003, 322 unter Hinweis auf BVerfG DVBl 2000, 407.
[186] Bader u.a., § 146 Rn 30 ff., 32.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge