1. Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 225

Gem. § 233 ZPO ist einer Partei bei Versäumung einer Notfrist oder einer anderen dort aufgeführten Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten – jedoch nicht dessen Personals – steht einem Verschulden der Partei gleich, § 85 Abs. 2 ZPO.[169]

Die Wiedereinsetzung muss gem. § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt gem. § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde, der Rechtsbeschwerde oder der Beschwerde nach § 58 FamFG einzuhalten. Nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Die Form des Wiedereinsetzungsantrages richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten, § 236 Abs. 1 ZPO. Der Antrag muss darüber hinaus die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Diese sind glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen, § 236 Abs. 2 ZPO. Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, dem auch die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht, § 237 ZPO.

Gem. § 236 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZPO kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden, wenn innerhalb der Antragsfrist die versäumte Prozesshandlung nachgeholt wird und Tatsache und Grund der unverschuldeten Fristversäumung von der Partei zumindest erkennbar gemacht werden oder die die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Umstände aktenkundig oder sonst wie offenkundig sind.[170]

Durch die Gewährung der Wiedereinsetzung gilt die versäumte Prozesshandlung als rechtzeitig bewirkt.

[169] Grds. darf der Anwalt einfache Verrichtungen, die keine besondere Geistesarbeit oder juristische Schulung verlangen, zur selbstständigen Erledigung auf sein hierzu geschultes und zuverlässiges Büropersonal übertragen, st. Rspr., vgl. z.B. BGH NJW 1991, 1179; BVerfG NJW 1996, 309. Der Anwalt muss jedoch durch allgemeine Anweisungen für eine Büroorganisation sorgen, die Fehler weitestgehend ausschließt. Hierzu gehören insb. Anweisungen zur Abgrenzung der Aufgabenbereiche einzelner Mitarbeiter untereinander sowie über Aktenführung, besondere Kennzeichnung von Akten, die wegen Fristablaufes vorgelegt werden, Behandlung der eingehenden Post und deren Überprüfung auf Fristsachen, Führung des Fristenkalenders.

Die Büroorganisation muss eine wirksame Ausgangskontrolle von Fristsachen sicherstellen; so muss sichergestellt sein, wann eine fristwahrende Maßnahme durchgeführt ist, ein Schriftsatz z.B. also gefertigt und versandfertig gemacht ist, vgl. BGH VersR 1993, 772; BGH VersR 1994, 369. Darüber hinaus treffen den Anwalt weitergehende eigene Pflichten, z.B. bei der Berechnung und Überwachung schwieriger Fristen, bei Vorliegen von Umständen, die einen reibungslosen Kanzleibetrieb in Frage stellen, bei der Überwachung von Rechtsmittelanträgen und der Einlegung und Begründung von Rechtsmittelanträgen, insb. am letzten Tage. Zu der von der Rspr. hierzu entwickelten verzweigten Kasuistik vgl. die Nachw. bei Zöller/Greger, § 233 Rn 23, und Müller, NJW 1995, 3224; NJW 1998, 497; NJW 2000, 322; fortgeführt von v. Pentz, NJW 2003, 858 und Born, NJW 2005, 2061; NJW 2007, 2086; NJW 2009, 2179; NJW 2011, 2022.

[170] Vgl. BGH NJW-RR 1993, 1092 ff. und Zöller/Greger, § 236 Rn 3 ff. m.w.N.

a) Rechtsmittel

 

Rz. 226

Gegen die Gewährung der Wiedereinsetzung verfügt der Gegner über kein Rechtsmittel, § 238 Abs. 3 ZPO. Gegen deren Versagung ist das Rechtsmittel zulässig, welches gegen eine entsprechende Hauptsacheentscheidung gegeben wäre.

b) Kosten und Gebühren

aa) Gerichtsgebühren

 

Rz. 227

Es fallen keine besonderen Gerichtsgebühren an.

bb) Anwaltsgebühren

 

Rz. 228

Es fällt eine 0,8 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3403 RVG-VV an, wenn der Anwalt nicht bereits vorher in derselben Instanz tätig war; ansonsten gehört der Antrag auf Wiedereinsetzung zum Rechtszug und ist mit den dortigen Gebühren abgegolten.

Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

2. Muster: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Rz. 229

Muster 57.56: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Muster 57.56: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

An das Landgericht _____

Berufung und Wiedereinsetzungsantrag

In dem Rechtsstreit _____

– Kläger und Berufungsbeklagter –

gegen _____

– Beklagter und Berufungskläger –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte _____

legen wir für den Berufungskläger gegen das am _____ verkündete, dem Berufungskläger am _____ zugestellte Urteil des Amtsgerichts _____

Berufung

ein, mit dem Antrag,

die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Eine Ausfertigung/Kopie des angefochtenen Urteils ist in der Anlage beigefügt.

Wegen der Versäumung der Berufungsfrist beantragen wir

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Es wird angeregt, das Verfahren zunächst auf die Verhandl...

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