1. Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 282

Durch das Anhörungsrügengesetz vom 9.12.2004 wurde die erst durch das Zivilprozessreformgesetz eingefügte Rüge wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs gem. § 321a ZPO neu gefasst. Nunmehr ist in allen Fällen – und nicht mehr nur bei Urteilen – auf Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei das Verfahren fortzuführen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben, der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Gem. § 321a Abs. 2 S. 3 ZPO gelten formlos mitgeteilte Entscheidungen mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen einer Entscheidung einer Verletzung des Anspruchs der Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise darlegen. Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung gilt durch unanfechtbaren Beschluss. Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gesetz ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in diesem Fall in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand.

2. Gebühren und Kosten

a) Gerichtsgebühr

 

Rz. 283

Bei Verwerfung der Gehörsrüge beträgt die Gerichtsgebühr 50 EUR gem. Nr. 1700 GKG-KV.

b) Anwaltsgebühren

 

Rz. 284

Gem. § 19 Abs. 1 Nr. 5 RVG gehört die Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zur Instanz. Durch die am 1.8.2013 neu eingefügte Nr. 3331 RVG-VV besteht bei einem Verfahren über eine Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör eine Terminsgebühr in Höhe der Terminsgebühr für das Verfahren, in dem die Rüge erhoben wird, höchstens jedoch 0,5 bzw. 220 EUR.

3. Muster: Gehörsrüge

 

Rz. 285

Muster 57.74: Gehörsrüge

 

Muster 57.74: Gehörsrüge

An das Amtsgericht _____

In dem Rechtsstreit

_____-GmbH

– Klägerin –

gegen _____-GmbH

– Beklagte –

rügen wir die Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Mit Urt. v. _____ hat das Amtsgericht _____ die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin für den von ihr behaupteten Sachvortrag beweisfällig geblieben sei, da sie insoweit kein taugliches Beweismittel für den Verlauf des Gesprächs angeboten habe.

Für den Verlauf dieses Gespräches hatte die Klägerin mit Schriftsatz vom _____ Beweis durch Zeugnis ihres Alleingesellschafters und Geschäftsführers _____ angeboten. Das Amtsgericht hat die Erhebung des angebotenen Beweises abgelehnt.

Mit der Ablehnung der Vernehmung des Alleingesellschafters und Geschäftsführers hat das Amtsgericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt.

Mit Urt. v. 27.10.1993 (NJW 1995, 1413) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass das aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Prinzip der Waffengleichheit im Zivilprozess verletzt sein kann, wenn es einer klagenden Gesellschaft verwehrt wird, ihren Alleingesellschafter als Zeugen für den Verlauf eines Gespräches zu benennen, an dem nur der Alleingesellschafter und ein Vertreter der Beklagten beteiligt waren, wenn die Anhörung des Vertreters der Beklagten als Zeuge vom Tatrichter als zulässig erachtet wurde.

Bei Vernehmung des Zeugen hatte sich ergeben, dass anlässlich der Besprechung vom _____ besprochen war, dass _____.

Unter Zugrundelegung dieser Tatsache hätte das Gericht der Klage stattgeben müssen.

Einfache und beglaubigte Abschrift sind beigefügt.

(Rechtsanwalt)

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