Rz. 50

Neben der Einhaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO ergeben sich hieraus auch zwingend Anforderungen an die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO.[66]

 

Rz. 51

Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des VA ist schriftlich zu begründen (§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO). Dabei reicht die bloße Wiederholung der gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen nicht aus.[67] Die Begründung ist auch dann nicht entbehrlich, wenn dem Betroffenen die Gründe bekannt sind.[68]

 

Rz. 52

§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO verpflichtet die Behörde, mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht lediglich formelhaften oder formularmäßigen schriftlichen Begründung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung darzulegen.[69] Pauschale und für eine Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen reichen nicht aus.[70] Erforderlich ist grundsätzlich eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung.[71] Dabei darf die Darlegung grundsätzlich auch knapp ausfallen.[72]

 

Rz. 53

§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO verpflichtet die Behörde allerdings nicht dazu, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Gerade in immer wieder vorkommenden Fällen mit einer typischen Interessenlage kann sich die Begründung auch darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach Auffassung der Behörde diese typische Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt.[73] Insofern sind in speziellen Fallgruppen, die sich in typischen Interessenlagen gleichen, auch typisierende Argumentationsmuster zulässig.[74] Nach HambOVG[75] darf die Anordnung der sofortigen Vollziehung der FE-Entziehung mit Blick auf das Gefahrenpotential in allgemeiner Form mit der Ungeeignetheit des Kraftfahrers begründet werden. Wegen des herausragenden öffentlichen Interesses an der Verkehrssicherheit reicht z.B. der Hinweis darauf, dass der betroffene Kraftfahrer wegen einer Alkoholproblematik ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei und es im Hinblick auf die von ungeeigneten Kraftfahrern ausgehenden besonderen Gefahren für Leib, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer erforderlich sei, ihn sofort als Kraftfahrer vom Straßenverkehr auszuschließen.[76] Nach SächsOVG gehört auch § 31a StVZO zu den Vorschriften, bei denen zur Abwehr von Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter – nämlich die Ordnung und Sicherheit im Straßenverkehr – das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts selbst zusammenfällt.[77]

 

Rz. 54

An einer derartigen, auf typische Fallkonstellationen Bezug nehmenden Begründung fehlt es aber bei Gebrauch der Formulierung "Aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses wird die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet". Diese Formulierung beschränkt sich nämlich lediglich auf die Wiederholung der in § 80 Abs. 2 S. 1 VwGO gesetzlich normierten Voraussetzungen. Sie stellt keine ausreichende Begründung i.S.d. § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO dar.[78] Eine ausreichende Begründung liegt auch dann nicht vor, wenn darauf abgestellt wird, dass die Entziehung der FE offensichtlich rechtmäßig ist.[79]

 

Rz. 55

Als ausreichende Begründung in diesem Sinne hat das VG Saarland[80] z.B. angesehen, dass das weitere Belassen der FE die Gefahr berge, dass vom FE-Inhaber weitere Verkehrszuwiderhandlungen begangen werden und dadurch die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleistet sei.[81]

 

Rz. 56

Damit steht fest, dass nicht jedes Verhalten, das die Entziehung der FE rechtfertigt, zugleich auch den Grund für die Anordnung der sofortigen Vollziehung liefert. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung kann daher nur ausnahmsweise auf die Begründung des zu vollziehenden VA Bezug nehmen, wenn aus dieser VA-Begründung auch bereits die besondere Dringlichkeit der Regelung i.S.d. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1 VwGO hervorgeht und wenn die von der Behörde getroffene Interessenabwägung eindeutig erkennbar ist.[82] Es ist also durchaus denkbar, dass die VA-Erlassgründe identisch sind mit den Gründen der Anordnung der sofortigen Vollziehung des VA.[83] Insofern muss im Bescheid neben einer Begründung des VA auch eine solche i.S.d. § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO erkennbar werden. Auch in diesem Fall ist die Begründung i.S.d. § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO aber nicht entbehrlich.[84]

 

Rz. 57

Liegt Alkoholabhängigkeit vor und ist dies im Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde auch näher dargelegt, so belegen bei der FE-Entziehung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr angesichts der hohen Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs die den Erlass des VA rechtfertigenden Gründe im Regelfall zugleich auch die Dringlichkeit der Vollziehung.[85]

[66] Haus, zfs 1997, 358, Anm. zu BayVGH zfs 1997, 357; zum Begründungsumfang dar...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge