Rz. 125

In der Praxis sind Verfügungs- und Hauptsacheverfahren häufig einander nachgeschaltet. Zwingend ist dies jedoch nicht. Ein zeitgleiches Vorgehen des Klägers gegen den Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung und der Hauptklage ist prozessual zulässig. Hierzu kann jedoch nicht geraten werden. Erscheint das gleichzeitige Vorgehen in Verfügungsverfahren und Hauptsacheverfahren nicht als notwendig, kann eine unzulässige Mehrfachverfolgung i.S.v. § 8b UWG vorliegen.[154] Rechtsmissbräuchliches Verhalten kann auch bei der Stellung mehrerer gleichartiger Anträge in getrennten Verfahren vorliegen.[155]

Wenn sich der Verletzte im Verfügungsverfahren sofort und endgültig per "Abschlusserklärung" unterwirft, entfällt für das Klageverfahren das Rechtsschutzinteresse. Der Unterlassungsgläubiger verfügt über einen endgültigen, vollwirksamen Titel. Daher muss das gleichzeitig mit der einstweiligen Verfügung angestrengte Klageverfahren für erledigt erklärt werden. Im Rahmen der dann notwendigen Kostenentscheidung des § 91a ZPO ist auch der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu beachten. Konsequenz der Berücksichtigung des § 93 ZPO kann sein, dass der Kläger die Kosten des Hauptsacheverfahrens tragen muss. Zwar hat der Verletzer Anlass zum gerichtlichen Einschreiten gegeben, jedoch bestand kein hinreichender Anlass, zugleich auch im Klageverfahren tätig zu werden.[156] Hintergrund ist, dass die Unterlassungsverfügung in Verbindung mit der Abschlusserklärung den Verletzten ausreichend schützt.

 

Rz. 126

Denkbar ist auch, eine einstweilige Verfügung erst nach Einleitung eines Hauptsacheverfahrens zu erwirken. Solche Fälle sind in der Praxis jedoch – schon wegen der von vielen Gerichten angenommenen kurzen Dringlichkeitsfrist – selten. Weiterhin ist wegen des bereits an- oder rechtshängigen Hauptsacheverfahrens zu überlegen, ob nicht die Vermutung des § 12 Abs. 1 UWG entfallen ist.[157] Eine Ausnahme gilt selbstverständlich dann, wenn während der Anhängigkeit des Hauptsacheverfahrens Umstände auftreten, die nunmehr eine vorläufige Regelung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens als geboten erscheinen lassen. Diesbezüglich ist der Antragsteller jedoch darlegungs- und beweispflichtig.[158]

[154] BGH GRUR 2001, 82 – Neu in Bielefeld I; BGH GRUR 2002, 715 – Scanner-Werbung; OLG Nürnberg GRUR-RR 2004, 336 – Verfahrensdurchführung; krit. Gloy/Loschelder/Danckwerts, § 97 Rn 4.
[155] BGH GRUR 2013, 307 – unbedenkliche Mehrfachabmahnung.
[156] Gloy/Loschelder/Danckwerts, § 97 Rn 5.
[157] Vgl. OLG Hamm GRUR 1985, 454, 455 – Hauptsache und gleichzeitige einstweilige Verfügung.
[158] OLG Hamm GRUR 1985, 454, 455.

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