Rz. 75

Zufahrten und Zugänge verbinden die der Straße benachbarten Grundstücke oder private Wege mit der Straße. Die Behinderung durch Baumaßnahmen ist zunächst durch den Gemeingebrauch gedeckt.[146] Werden auf längere Zeit Zufahrten oder Zugänge durch Straßenbauarbeiten unterbrochen oder wird ihre Benutzung erheblich erschwert, so müssen grundsätzlich Maßnahmen und Vorkehrungen getroffen werden, durch die der Zugang gesichert ist. Gelingt dies nicht und wird dadurch die wirtschaftliche Existenz eines anliegenden Betriebes gefährdet, so kann eine Entschädigung in Höhe des Betrages verlangt werden, der erforderlich ist, um das Fortbestehen des Betriebes unter Berücksichtigung der gegebenen Anpassungsmöglichkeiten zu sichern (vgl. z.B. § 8a FStrG; § 20 Abs. 1, Abs. 6 SStrG).[147]

 

Rz. 76

Bei vorübergehender Verkehrsbehinderung durch Straßenbauarbeiten sind Umsatz- und Gewinnrückgänge jedenfalls bei zügiger Durchführung grundsätzlich hinzunehmen.[148] Im Fall überlanger und zeitlich überzogener Straßenbaumaßnahmen sind Ansprüche gegen die die Arbeit anordnende Verwaltung[149] aus "enteignungsgleichem Eingriff"[150] denkbar. Die Baumaßnahmen sind nämlich vor Beginn so umsichtig zu planen, der Bauverlauf ist so zu koordinieren und einzurichten, dass Dauer, Art und Intensität der Beeinträchtigung auf das unerlässliche Maß reduziert werden. Diese Rücksichtspflicht besteht gegenüber dem Anlieger zunächst ganz allgemein. Sie gilt im besonderen Maße auch und gerade bezüglich des Anliegers mit einem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.[151]

 

Rz. 77

Ein enteignungsgleicher Eingriff liegt vor, wenn die Arbeiten über das hinausgehen, was bei ordnungsgemäßer Planung und Durchführung der Arbeiten notwendig ist. Jede überflüssige Verzögerung ist zu vermeiden.[152]

 

Rz. 78

Nach OLG Brandenburg[153] ist Schadensersatz eines Hotel-Restaurants bei Vollsperrung einer Bundesstraße über längere Zeit (17 Monate) grundsätzlich möglich: Eine Vollsperrung einer Bundesstraße wegen Straßenbauarbeiten ist dann unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, wenn sie nicht auf die unbedingt notwendige Dauer und örtliche Ausdehnung beschränkt wird und nicht den – auch bei Durchführung der Bauarbeiten an sich möglichen – Anliegerverkehr eröffnet. Ein Schadensersatzanspruch ist auch bei einem solchen enteignungsgleichen Eingriff dann ausgeschlossen, wenn der betroffene Straßenanlieger die Rechtswidrigkeit der Vollsperrung rechtzeitig erkannt hat oder hätte erkennen können und dann ihm zumutbare Rechtsbehelfe nicht ergriffen hat.[154]

[146] LG Erfurt zfs 1996, 369.
[147] Stahlhut in Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl., Kap. 26, S. 798 ff.
[148] LG Erfurt zfs 1996, 369.
[149] Daneben sind Ansprüche gegen die die Bauarbeiten durchführende Firma denkbar, vgl. LG Erfurt zfs 1996, 369, dort allerdings im Ergebnis abgelehnt.
[150] Da der enteignungsgleiche Eingriff vorliegt, wenn durch eine hoheitliche Maßnahme schuldhaft oder schuldlos rechtswidrig in eine dem Betroffenen zustehende, als Eigentum geschützte Rechtsposition unmittelbar eingegriffen wird, ist diese auf Gewohnheitsrecht gestützte Anspruchsgrundlage im Vergleich zur Amtshaftung (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB) für den Geschädigten günstiger, da dort neben anderen Tatbestandsmerkmalen in jedem Fall auch Verschulden verlangt wird.
[151] Vgl. BGH NJW 1983, 1663; LG Erfurt zfs 1996, 369; Holzer, JuS 1988, 301; Rinne, Entschädigungsfragen beim eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, DVBl 1993, 869.
[152] LG Erfurt zfs 1996, 369, BGH NJW 1972, 243, 244; 1980, 2703, 2704.
[153] OLG Brandenburg NVwZ-RR 2000, 77.
[154] Zur Darlegungs- und Beweislast, wenn ein Straßenanlieger wegen Beeinträchtigungen seines Gewerbebetriebes durch Straßenarbeiten Ansprüche geltend macht: BGH BayVBl 1998, 378.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge