Rz. 24

Straßenverkehrslärm ist bereits bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen.[58] Die das Eigentum unzulässigerweise einschränkenden Verkehrsimmissionen können durch einen Folgenbeseitigungsanspruch abgewehrt werden.[59] Dem Eigentümer eines von einer Straßenplanung betroffenen Grundstücks kann ein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch zustehen.[60]

 

Rz. 25

Nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Diese Befugnis wird durch § 45 Abs. 9 S. 2 StVO[61] dahin modifiziert, dass Voraussetzung für Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs eine besondere örtliche Gefahrenlage ist, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der Wohnbevölkerung durch Lärm und Abgase erheblich übersteigt. Hierzu müssen Lärm oder Abgase Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen werden muss und damit zugemutet werden kann.[62]

In Betracht kommen ein Anspruch auf Lärmschutz[63] sowie eine Entschädigung für eine Lärmbeeinträchtigung.[64] Betroffene Anwohner haben grundsätzlich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über verkehrsbeschränkende Maßnahmen gem. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO, wenn die vom Straßenverkehr hervorgerufene Lärm- und/oder Abgasbelastung das Maß des unter Berücksichtigung der Ortsüblichkeit Zumutbaren überschreitet.[65]

 

Rz. 26

Die Grenze der Zumutbarkeit von Verkehrslärm ergibt sich in erster Linie aus der Höhe der Immissionen und in zweiter Linie aus der durch die Widmung ableitbaren Verkehrsbedeutung der Straße.[66] Ist die Zumutbarkeitsgrenze nicht erreicht, so ist das behördliche Ermessen für aus Lärmschutzgründen verkehrsbeschränkende oder verbietende Maßnahmen von vornherein nicht eröffnet. Dies gilt auch, wenn das Erreichen der Zumutbarkeitsgrenze mangels Ermittlungen nicht belegt ist. Wird die Zumutbarkeitsgrenze dagegen erreicht, ist das Bedürfnis nach Wohnruhe mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Ermessensüberlegungen einzubeziehen und mit den Übrigen privaten oder öffentlichen Interessen abzuwägen.[67] Dies kann zu verkehrsbeschränkenden[68] oder verkehrsverbietenden Maßnahmen führen. Bei Verkehrsverboten ist dabei auch die Belastung der Anlieger an zu erwartenden Ausweichstrecken mit in die Überlegungen einzubeziehen.

 

Rz. 27

Welcher Straßenlärm den Anliegern zuzumuten ist, bedarf der Konkretisierung. Ausgangspunkt für eine solche Konkretisierung können nur die Wertungen sein, die der Normgeber im Immissionsschutzrecht für Verkehrswege gefunden hat und die in etwa den allgemein akzeptierten Standards auch bei der Bewältigung anderer Lärmarten entsprechen. Danach ist nach Gebietskategorien zu differenzieren (vgl. § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV).[69]

 

Rz. 28

So ist Verkehrslärm, der von den Anliegern etwa einer Bundesfernstraße (einschließlich Ortsdurchfahrt) oder auch einer Staatsstraße bzw. einer Kreisstraße wegen ihrer der Widmung entsprechenden Verkehrsbedeutung ertragen werden muss, nicht ohne Weiteres in gleicher Weise den Anliegern einer Ortserschließungsstraße zumutbar. Maßgeblich ist deshalb auch, ob eine (Ortserschließungs-)Straße entgegen ihrer eigentlichen Funktion zunehmend vom überörtlichen Verkehr als sog. "Schleichweg" in Anspruch genommen wird und damit Lärmbelästigungen ausgelöst werden, die von den Anliegern reiner Wohnstraßen üblicherweise nicht hingenommen werden müssen.[70]

 

Rz. 29

Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei der Beurteilung der Frage, ob eine Beeinträchtigung durch Verkehrslärm vorliegt, als Orientierungspunkte für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze, deren Überschreitung die Behörde zu Maßnahmen ermächtigt, die sog. fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle entsprechend § 2 Nr. 2 Verkehrslärmverordnung – 16. BImSchV – herangezogen wird.[71] Die Immissionsgrenzwerte treffen nämlich eine Aussage dazu, bis zu welcher Grenze Verkehrslärm entschädigungslos hinzunehmen ist. Sie konkretisieren insofern den Punkt, an dem die allgemeine staatliche Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) in eine Schutzpflicht gegenüber den einzelnen Individuum umschlägt.[72] Eine Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung ist danach jedenfalls ein Indiz dafür, dass die Lärmbelastung auch die Zumutbarkeitsschwelle in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht nicht erreicht.[73] Ob z.B. bei Ortserschließungsstraßen Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs aus Gründen der Ortsunüblichkeit eines Durchgangsverkehrs auch dann möglich sind, wenn die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV nicht überschritten sind, hat der BayVGH offen gelassen.[74] Allein die Widmung einer Straße als Ortsstraße in einem allgemeinen Wohngebiet berechtigt nicht, diese für den Lkw-Verkehr zu sperren.[75]

 

Rz. 30

Verkehrsb...

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