Rz. 167

Die Feststellungs- und Lohnzahlungsklage kann gem. § 260 ZPO auch mit der Klage auf tatsächliche Beschäftigung verbunden werden. Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung kann nur für die Zukunft verlangt werden, denn Arbeitsleistung für die Vergangenheit ist nicht mehr nachholbar. Zu unterscheiden ist zwischen

dem Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung während des noch nicht abgeschlossenen Kündigungsschutzprozesses,
dem betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch,
dem personalvertretungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch und
dem Beschäftigungsanspruch in einem bestehenden, nicht gekündigten Arbeitsverhältnis.
 

Rz. 168

Seit der Entscheidung des Großen Senats v. 27.2.1985 (BAG – GS 1/84) kann Weiterbeschäftigung nach Ausspruch einer Kündigung nur verlangen, wer in der ersten Instanz mit der Kündigungsschutzklage obsiegt (siehe dazu auch Rdn 111 ff.).

 

Rz. 169

In der Praxis wird häufig zunächst nur der Feststellungsantrag angekündigt, weil die Rechtsschutzversicherungen grds. erst nach gescheiterter Güteverhandlung eine Deckungszusage auch für den Weiterbeschäftigungsantrag erteilen. Diese m.E. rechtswidrige Praxis kann möglicherweise dazu führen, dass bei einem Versäumnisurteil in der Güteverhandlung kein Weiterbeschäftigungstitel erwirkt werden könnte. Wird das Versäumnisurteil nicht angegriffen, also festgestellt, dass die angegriffene Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, müsste gesondert der Weiterbeschäftigungsanspruch eingeklagt werden, mit höherer Kostenlast! Deshalb hilft man sich in der Praxis mit einem – unechten – Eventualantrag, der gilt, falls der Kündigungsschutzklage stattgegeben wird.

 

Rz. 170

Ein Weiterbeschäftigungstitel setzt die Arbeitgeberseite erheblichem Druck aus. Auf Arbeitnehmerseite sollte man auf dieses Druckmittel nicht verzichten. Zum einen muss der Arbeitgeber die Vergütung fortzahlen, auch wenn das Urteil angegriffen und möglicherweise sogar später in den weiteren Instanzen abgeändert wird. Zum anderen ist der Arbeitgeber auch zur Entgegennahme der Arbeitsleistung verpflichtet, hat also auch dem Arbeitnehmer, den er nicht mehr beschäftigen will, den Zutritt zum Betrieb zu gestatten.

 

Rz. 171

Das gilt auch und vor allem für den Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG (siehe dazu Rdn 126 ff.) bzw. gem. § 79 Abs. 2 BPersVG und einem entsprechenden Klageantrag.

 

Rz. 172

Der Klageantrag ist nur zulässig, wenn er auch vollstreckbar formuliert ist. Der (Weiter-)Beschäftigungsantrag muss daher die Art der Tätigkeit, ggf. den Arbeitsort und die jeweiligen Bedingungen nennen. Allerdings reicht es nach herrschender Meinung (BAG v. 15.4.2009 – 3 AZB 93/08; vgl. GK-ArbGG/Schütz, § 46 Rn 105 m.w.N.) aus, wenn neben der Berufsbezeichnung formuliert wird, dass "zu den bisherigen" oder "zu unveränderten Arbeitsbedingungen" Beschäftigung verlangt wird, solange der konkrete Inhalt der Beschäftigung zwischen den Parteien unstreitig ist.

 

Rz. 173

Da aus einem (Weiter-)Beschäftigungstitel nur der Beschäftigungsanspruch selbst vollstreckt werden kann und nicht auch damit zusammenhängende Ansprüche auf Entgelt, Urlaub, Zuwendungen etc. (LAG Bremen v. 18.11.1988 – 3 TA 65/88, NZA 1989,231; Sächs. LAG v. 22.1.2007 – 4 TA 282 / 06, ArbuR 2007,187 LS), verbieten sich entsprechende Zusätze im Klageantrag.

 

Rz. 174

Schwierig wird es, wenn gerade über den konkreten Inhalt der Beschäftigungspflicht gestritten wird. Die Verpflichtung zur (Weiter-)Beschäftigung ist eine unvertretbare Handlung und wird nach § 888 ZPO vollstreckt. Eine Verurteilung zur (Weiter-)Beschäftigung zu den "alten", "bisherigen", "vertraglichen" oder "unveränderten" Bedingungen hat nur dann einen vollstreckungsfähigen Inhalt, wenn sich die Einzelheiten der Beschäftigung aus Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils sowie aus sonstigen im Urteil in Bezug genommenen Urkunden auch für einen unbeteiligten Dritten eindeutig erkennen lassen (LAG Baden-Württemberg v. 5.1.2007 – 7 SA 93/06, NZA-RR 2007, 406, 410; LAG Köln v. 16.12.2004 – 3 (7) TA 358/04, LAGE § 62 ArbGG 1979 Nr. 31; GK-ArbGG/Vossen, § 62 Rn 11 m.w.N.). Zu empfehlen ist deshalb, die konkreten Beschäftigungsbedingungen (z.B. neben der Berufsbezeichnung und dem Arbeitsort auch bestimmte Arbeitsaufgaben, -inhalte und Verantwortungsbereiche) in den Klageantrag mitaufzunehmen. Auch ein in dieser Weise konkretisierter (Weiter-)Beschäftigungstitel kann in der Praxis jedoch dadurch unterlaufen werden, dass der Arbeitgeber nach Erlass des Beschäftigungstitels dem Arbeitnehmer eine neue Tätigkeit zuweist. Denn auch die Verurteilung zu einer (Weiter-)Beschäftigung mit ganz konkretem Inhalt führt regelmäßig nicht dazu, dass sich der vertragliche Beschäftigungsanspruch darauf konkretisiert. Der Titel verhindert keine spätere ersetzende Weisung durch Zuweisung eines anderen vertragsgerechten Arbeitsinhalts (BAG v. 21.3.2018 – 10 AZR 560/16, juris). Das Direktionsrecht wird also durch eine solche Entscheidung nicht eingeschränkt.

 

Rz. 175

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