Rz. 45

Die Möglichkeit, durch die ArbG überprüfen zu lassen, ob eine ordentliche Kündigung oder im Zusammenhang mit einer Kündigung die angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 KSchG ist, scheidet aus, wenn die Beschäftigung in einem Kleinbetrieb erfolgt. Die anhand der Arbeitnehmerzahl bestimmte Betriebsgröße für die Anwendbarkeit des allgemeinen Kündigungsschutzes ist seit Inkrafttreten des KSchG mehrmals geändert worden. Seit dem 1.1.2004 sind nach § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 KSchG für die Anwendbarkeit des allgemeinen Kündigungsschutzes folgende drei Fallgestaltungen zu unterscheiden:

Bei i.d.R. fünf oder weniger Arbeitnehmern gilt der allgemeine Kündigungsschutz in keinem Fall.
Bei i.d.R. mehr als zehn Arbeitnehmern findet der allgemeine Kündigungsschutz uneingeschränkt Anwendung.
Bei mehr als fünf, aber nicht mehr als zehn Arbeitnehmern kann eine Aussage darüber, ob und für wen das KSchG anwendbar ist, nur getroffen werden, wenn ermittelt worden ist, wie viele und welche Arbeitnehmer bereits am 31.12.2003 in einem Arbeitsverhältnis standen und bei Zugang der Kündigung noch stehen. Sind in einem solchen Betrieb mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, deren Arbeitsverhältnis schon am 31.12.2003 bestand, so haben nur die "Altarbeitnehmer" Kündigungsschutz, d.h. für sie reicht es aus, wenn i.d.R. mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt sind. Schrumpft die Anzahl dieser "Schicksalsgemeinschaft" unter den "alten" Schwellenwert, verlieren auch alle verbliebenen Altarbeitnehmer den Kündigungsschutz. Ersatzeinstellungen für "Alt-Arbeitnehmer" sind unbeachtlich (BAG v. 23.10.2008 – 2 AZR 131/07). Die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis erst ab dem 1.1.2004 begonnen hat, haben keinen allgemeinen Kündigungsschutz, wenn ihre Anzahl zusammen mit den Altarbeitnehmern den neuen Schwellenwert 10 nicht überschreitet. Der abgesenkte Schwellenwert des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG kann aber auch dann maßgeblich sein, wenn es nach dem 31.12.2003 zwar rechtliche Unterbrechungen des zuvor begründeten Arbeitsverhältnisses gegeben hat, der Arbeitnehmer aber – zusammen mit einer ausreichenden Anzahl anderer "Alt-Arbeitnehmer" – ununterbrochen in den Betrieb eingegliedert war (BAG v. 23.5.2013, DB 2013, 2512–2516).
 

Rz. 46

Bei der Feststellung der Beschäftigtenzahl, für die der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung maßgeblich ist, gibt es eine zweistufige Anrechnungsregelung, die teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wie folgt berücksichtigt:

Bei regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden erfolgt die Anrechnung mit 0,5.
Bei regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit von nicht mehr als 30 Stunden erfolgt die Anrechnung mit 0,75.
 

Rz. 47

Der Ausschluss des allgemeinen Kündigungsschutzes in einem Kleinbetrieb verstößt nicht gegen die Verfassung. Aus zwei Entscheidungen des BVerfG v. 27.1.1998 (NZA 1998, 469 ff. = DB 1998, 826 ff.), die zu der bis zum 30.9.1996 geltenden Fassung des § 23 Abs. 1 KSchG ergangen sind, lässt sich dies auch für die nunmehr geltende Fassung der Kleinbetriebsklausel einschließlich der Zählregelung für Teilzeitbeschäftigte ableiten. Das BVerfG hat u.a. darauf abgestellt, dass durch die Herausnahme von Arbeitnehmern in Kleinbetrieben aus dem gesetzlichen Kündigungsschutz dieser Personenkreis nicht völlig schutzlos gestellt ist. Diese Arbeitnehmer seien durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechtes des Arbeitgebers geschützt. Soweit unter mehreren Arbeitnehmern, die für eine Kündigung in Betracht kommen, eine Auswahl zu treffen ist, gebiete der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme. Andererseits ist die Anwendung der Kleinbetriebsklausel auch nicht schon dann ausgeschlossen, wenn die als "Betrieb" im kündigungsschutzrechtlichen Sinne zu verstehende Einheit nicht sämtliche vom Bundesverfassungsgericht als charakteristisch benannten Merkmale eines Kleinbetriebs erfüllt. Dieses hat lediglich typologisch Gesichtspunkte angeführt, die für einen Kleinbetrieb bezeichnend sind (BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, zu B I 3 b bb der Gründe, BVerfGE 97, 169 [BVerfG 27.1.1998 – 1 BvL 15/87]), ohne dass diese wie tatbestandliche Voraussetzungen einer Norm zu behandeln wären. Maßgeblich ist vielmehr eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende, wertende Gesamtbetrachtung dahingehend, ob die Anwendung der Kleinbetriebsklausel nach Maßgabe des allgemeinen Betriebsbegriffs unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse dem mit ihr verbundenen Sinn und Zweck (noch) gerecht wird (BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 392/08, a.a.O.; BAG v. 13.6.2002 – 2 AZR 327/01, zu II 1 d der Gründe, BAGE 101, 321; BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/15, NZA 2016, 1196–1198).

 

Rz. 48

Das BAG hat die verfassungsrechtlichen Vorgaben in der Entscheidung v. 21.2.2001 aufgegriffen und entschieden, dass eine Kündigung, die dem gebotenen Mindestmaß an sozialer Rücks...

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