Rz. 410

Von besonderer Bedeutung ist, dass der VN eine Leistungskürzung des VR verhindern kann, wenn er nachweist, dass seine Obliegenheitsverletzung sich weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellungen des VR zu einer Leistungsverpflichtung dem Grunde oder der Höhe nach ausgewirkt hat (§ 28 Abs. 3 S. 1 VVG). Der VR wird nur (in der Höhe) leistungsfrei, soweit sich die Obliegenheitsverletzung ausgewirkt hat. Zeigt der VN einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung den Versicherungsfall bspw. nicht innerhalb der in den AKB vorgesehenen Wochenfrist an, erklärt jedoch der Geschädigte den Sachverhalt umfassend und vollständig dem VR, so kann dieser selbst bei einer angenommenen vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des eigenen VN nicht leistungsfrei werden, da diese sich nicht ursächlich auf die Feststellungen des VR zum Schadensfall ausgewirkt hat. Der Kausalitätsgegenbeweis setzt voraus, dass erstens sich alle bereits aus dem Sachverhalt und zweitens alle weiteren Einwendungen des VR zu der behaupteten fehlenden Ursächlichkeit beseitigt werden[480] und der Nachweis erbracht wird, dass die Obliegenheitsverletzung sich weder auf den Eintritt noch die Feststellungen des VR zum Versicherungsfall und dem Umfang der Eintrittspflicht ausgewirkt hat.[481]

Damit der VN jedoch nicht risikolos derartige Falschangaben tätigen kann, hat der Gesetzgeber in § 28 Abs. 3 S. 2 VVG eine Leistungsfreiheit des VR trotz fehlender Kausalität der Falschangabe vorgesehen, wenn der VN arglistig gehandelt hat. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass der betrügerische VN nicht geschützt werden dürfe. Diese Begründung ist aber zu eng gefasst und verkennt die Reichweite des in der Rechtsprechung entwickelten Arglistbegriffs. Für die Annahme einer Arglist genügt es, dass der VN mit einer Falschangabe einen gegen die Interessen des VR gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung (ggf. auch berechtigter) Ansprüche ausräumen will[482] und weiß, dass sein Verhalten den VR bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann.[483] Es genügt dabei, wenn der VN den VR vorsorglich von weiteren Ermittlungen abhalten will.[484] Im Fall eines arglistigen Fehlverhaltens ist der VN nicht schützenswert und es bedarf keiner Belehrung über die Folgen einer falschen Auskunft.[485]

[480] Vgl. OLG Karlsruhe v. 18.2.2010 – 12 U 175/09; KG v. 6.7.2010 – 6 W 6/10, jew. juris; vgl. auch Nugel, VRR 2008, 166.
[481] BGH VersR 2009, 497; OLG Düsseldorf VersR 2005, 1727.
[483] OLG Karlsruhe v. 3.8.2010 – 12 U 86/10, juris; LG Düsseldorf zfs 2010, 509.
[484] KG v. 14.9.2010 – 6 U 205/09, Schaden-Praxis 2011, 83.
[485] BGH v. 12.3.2014 – IV ZR 306/13, zfs 2014, 277; OLG Hamm v. 7.12.2018 – I-20 U 64/18, juris.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge