Rz. 397

Die Neufassung des VVG sieht vor, dass der VR im Fall der grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung oder Gefahrerhöhung lediglich zu einer Leistungskürzung berechtigt ist, die der Schwere des Verschuldens entspricht. Die näheren Kriterien für eine derartige Kürzung hat der Gesetzgeber bewusst der Rechtsprechung und Literatur überlassen.

a) Kürzung auf Null

 

Rz. 398

Der VR kann bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den VN in Ausnahmefällen die Leistung vollständig versagen – so insbesondere bei absoluter Fahruntüchtigkeit im Bereich der Kraftfahrtversicherung. Dazu bedarf es jedoch immer der Abwägung der Umstände des Einzelfalles.[466]

Wer dem VR aber das Recht zusprechen möchte, bei einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung die Leistung um bis zu 100 % zu kürzen, muss es im Gegenzug auch zulassen, dass es Fälle geben kann, bei denen theoretisch das festgestellte grobe Verschulden so gering ist, dass keine Leistungskürzung angemessen wäre.[467]

[467] Nugel, Kürzungsquoten nach dem VVG, § 1 Rn 7 ff.

b) Bestimmung des Verschuldensgrades

 

Rz. 399

Für die Quotenbildung ist zu prüfen, ob es sich eher um einen Grenzfall zur einfachen Fahrlässigkeit oder aber zum bedingten Vorsatz handelt.[468] Von besonderer Bedeutung ist dabei die vom Verhalten des VN ausgehende Gefahr als objektiver Gesichtspunkt.[469] Dies erst recht, wenn es sich um einen offenkundigen Pflichtenverstoß handelt.[470] Für die Quotenbildung ist ferner der Wert des gefährdeten bzw. entwendeten Objektes von Bedeutung.[471] Einen gewichtigen Umstand bei der Quotenbildung stellt ferner die Dauer der Pflichtverletzung dar. Besonders schwer wiegt es auch, wenn der Gesetzgeber in anderen Vorschriften wie z.B. dem Strafrecht das Fehlverhalten bereits umfassend sanktioniert hat.[472]

[468] BGH v. 22.6.2011 – IV ZR 225/10, Schaden-Praxis 2011, 300; OLG Saarbrücken v. 15.12.2010 – 5 U 147 10, juris.
[469] OLG Saarbrücken v. 4.4.2013 – 4 U 31/12, juris; LG Münster v. 24.9.2009 – 15 O 275/09, DAR 2010, 473.
[470] Nugel, MDR 2010, 597 ff., 1320 unter Bezugnahme auf den Goslarer Orientierungsrahmen.
[471] OLG Hamm (Hinweisbeschl.) v. 21.4.2010 – I-20 U 182/09, NJW-Spezial 2010, 297; LG Dortmund v. 15.7.2010 – 2 O 8/10, zfs 2010, 515.

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