Rz. 47

In die Aufgabe der Gefahrenabwehr können grundsätzlich auch Private einbezogen werden.[104] Die sich hierbei bietenden Möglichkeiten sind ebenso vielfältig wie die Motive, die zur Einbeziehung Privater führen können. Von der alleinigen Entscheidungskompetenz des Privaten (z.B. TÜV-Sachverständiger entscheidet über die Vergabe der TÜV-Plakette)[105] über bloße Helferfunktion (z.B. Aufstellen von Baustellenschildern durch Bauunternehmer streng nach einem von der zuständigen Behörde exakt vorgegebenen Beschilderungsplan)[106] über die Erfüllung von privatrechtlichen Verträgen zwischen Behörde und Privaten (z.B. Abschleppverträge, Wartung einer Ampelanlage) über die Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung (z.B. Entziehung der FE) durch Anfertigen von privaten Gutachten über die Eignung des Kraftfahrers (MPU), die Entnahme und Auswertung von Blutproben zur Bestimmung der BAK oder anderer toxikologischer Parameter, die Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Gewebeproben zur DNA-Identifizierung oder auch die Auswertung elektronisch gespeicherter Daten in Fällen sogenannter Cyberkriminalität bis hin zur Inanspruchnahme des Privaten (z.B. im Rahmen der Inanspruchnahme sog. Nichtstörer aufgrund des Polizeirechts; Wegereinigung; Verkehrssicherungspflichten) sind sehr unterschiedliche Fallgestaltungen mit unterschiedlicher Brisanz denkbar.

Bereits diese Aufzählung zeigt, dass der bloße Verweis auf eine grundsätzlich mögliche Einschaltung Privater[107] nicht ausreicht, um jedwede Beteiligung Privater bei der Verkehrsüberwachung zu begründen. Zu unterschiedlich sind die jeweiligen Maßnahmen in ihrer Qualität des Eingriffs.[108]

 

Rz. 48

Qualitativ und quantitativ unterschiedlich muss damit auch der juristische Hintergrund sein. Allgemein wird die Beteiligung Privater an der Erledigung von Verwaltungsaufgaben stets in Zusammenhang mit Stichworten wie Effektivität und Flexibilität bei der Aufgabenerledigung, Wirtschaftlichkeit und Spareffekt, Schnelligkeit, Sachkunde und unbürokratische Arbeitstechnik gesetzt.[109] Abgesehen davon, dass diese positiven Beschreibungen privater Tätigkeit bei Licht und im konkreten Einzelfall betrachtet gelegentlich auch eher der Theorie zuzuordnen sind, darf nicht verkannt werden, dass die Umsetzung dieser Prinzipien insgesamt auch den Spielregeln und Zielsetzungen des Privaten unterworfen ist. Das wiederum bedeutet, dass hier zunächst auch die wirtschaftlichen Gesichtspunkte der Gewinnmaximierung und Rentabilität im Vordergrund stehen. Während der Private eine Gewinn-und-Verlust-Rechnung aufmachen muss, die sein wirtschaftliches Überleben erst garantiert, ist die öffentliche Hand zwar auch dem Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung unterworfen. Naturgegebenermaßen verbleiben in einem Gemeinwesen aber auch Aufgaben, die sich nicht nach den Grundsätzen der Rentabilität lösen lassen (z.B. Maßnahmen zur Überwindung der Obdachlosigkeit, Sozialleistungen). Auch diese Aufgaben müssen erfüllt werden. Privatisierung ist also nur dort und in dem Umfang denkbar, wo unterschiedliche private und öffentliche Zielsetzungen diese nicht verbieten. Gerade im Bereich der Gefahrenabwehr ist dabei äußerste Behutsamkeit angezeigt, geht es hier doch gerade um einen Kernbereich staatlicher Gewalt und um die Ansprüche des Bürgers aufgrund eines legitimen Sicherheitsbedürfnisses. In jedem Fall muss hier die Behörde "Herrin des Verfahrens" sein und bleiben.

 

Rz. 49

Die Qualität der Erfüllung der Gefahrenabwehraufgabe darf dabei nicht Gefahr laufen, unter Wettbewerbsdruck zu geraten. Spannungsgeladen ist auch die hinter diesem Thema stehende Problematik. Stichworte wie "Privatisierung der Gefahrenabwehr", "Private Sicherheitsdienste", "Schwarze Sheriffs", "Verlust des staatlichen Gewaltmonopols" machen die Problematik deutlich. Verfassungsrechtlich ist hier zunächst auf den in Art. 33 Abs. 4 GG festgeschriebenen Funktionsvorbehalt hinzuweisen.[110] Aber auch der Gedanke des Grundrechtsbezugs eines jeden Verwaltungsverfahrens und die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes erlangt hier Bedeutung. Je mehr der Private in die Aufgabenerfüllung für die öffentliche Verwaltung integriert ist, je stärker er in Eigenverantwortung und Eigenständigkeit Maßnahmen trifft, die den Bürger berühren oder behördliches Handeln zumindest entscheidend vorprägen, umso stärker muss der Staat Vorkehrungen treffen und Sicherungen einbauen, die Rechtsstaatlichkeit garantieren. Durch Private quasi antizipierte Verwaltungsentscheidungen erfordern zwingend Zulassungs- und/oder Kontrollvorbehalte.[111]

 

Rz. 50

Mit Blick auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der Einbeziehung Privater ist auch eine differenzierte juristische Betrachtungsweise geboten. Rechtsstaatlich – qualitativ betrachtet macht es einen Unterschied, ob dem Privaten die Ausübung hoheitlicher Befugnisse eigenverantwortlich übertragen wurde oder ob der Private als Werkzeug der Behörde unselbstständig tätig wird. Dies alles ist auch von hoher prakti...

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