Rz. 98
Mit Urteil des BVerfG v. 11.3.2008 – 1 BvR 2074/05 und 1 BvR 1254/07[207] hat das BVerfG Gesetze der Länder Hessen (§ 14 Abs. 5 HessSOG) und Schleswig-Holstein (§ 184 Abs. 5 SH LVwG) für nichtig erklärt, welche die Polizei zum automatisierten Abgleich der Kfz-Kennzeichen vorbeifahrender Fahrzeuge mit Fahndungsdaten ermächtigen sollten.[208]
Die Verfassungsmäßigkeit der inzwischen bestehenden landesrechtlichen Kennzeichenabgleichsnormen (vgl. z.B. § 27 Abs. 3 SaarlPolG) ist noch nicht abschließend geklärt. Fraglich ist die Gesetzgebungskompetenz, weil der Kennzeichenabgleich hauptsächlich Ergebnisse für den repressiven Bereich hervorbringe und vor allem die Problematik um die Verfassungsmäßigkeit eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.[209]
Rz. 99
Nach BVerfG[210] greift eine automatisierte Erfassung von Kfz-Kennzeichen zwecks Abgleichs mit dem Fahndungsbestand dann, wenn der Abgleich nicht unverzüglich erfolgt und das Kennzeichen nicht ohne weitere Auswertung sofort und spurenlos gelöscht wird, in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein.[211] Ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung liegt allerdings nicht vor, wenn bei Einsatz einer Einrichtung der automatisierten Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen und deren Abgleich mit Fahndungsdatenbeständen zwar eine Übereinstimmung des tatsächlich erfassten Kennzeichens mit einem im Fahndungsbestand vorhandenen Kennzeichen angezeigt wird, ein visueller Abgleich durch den damit betrauten Polizeibeamten aber eine mangelnde Übereinstimmung ergibt und das erfasste Kennzeichen sofort gelöscht wird, ohne dass die Anonymität des Inhabers aufgehoben wird.[212]
Rz. 100
Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage richten sich nach dem Gewicht der Beeinträchtigung, das insbesondere von der Art der erfassten Informationen, dem Anlass und den Umständen ihrer Erhebung, dem betroffenen Personenkreis und der Art der Verwertung der Daten beeinflusst wird. Die bloße Benennung des Zwecks, das Kfz-Kennzeichen mit einem gesetzlich nicht näher definierten Fahndungsbestand abzugleichen, genügt den Anforderungen an die Normenbestimmtheit nicht.[213]
Rz. 101
Die automatisierte Erfassung von Kfz-Kennzeichen darf nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist im Übrigen nicht gewahrt, wenn die gesetzliche Ermächtigung die automatisierte Erfassung und Auswertung von Kfz-Kennzeichen ermöglicht, ohne dass konkrete Gefahrenlagen oder allgemein gesteigerte Risiken von Rechtsgutgefährdungen oder -verletzungen einen Anlass zur Einrichtung der Kennzeichenerfassung geben. Die stichprobenhafte Durchführung einer solchen Maßnahme kann ggf. zu Eingriffen von lediglich geringerer Intensität zulässig sein.[214]
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