Rz. 150

Die modernen Autos speichern eine Vielzahl von Daten. Der Umfang gespeicherter Daten ist ebenso gigantisch wie intransparent und Besorgnis erregend.[300] Obwohl dies schon seit vielen Jahren so ist, hat sich das Bewusstsein für diese Frage erst in den letzten Jahren erhellt. Weyde[301] hat die "Datenfundgrube Auto" bereits bei den Homburger Tagen 2013 eindrucksvoll beschrieben. Scheinbar banale Daten wie z.B. Benzinverbrauch, Durchschnittsgeschwindigkeit oder Tageskilometer stehen neben Daten, die die Möglichkeit zur Erstellung von Fahrerprofilen ermöglichen. Die Fahrdatenauswertung kann sich bei einer Unfallrekonstruktion gegen den Fahrer richten. Das vollvernetzte Auto ist in der Lage, Daten zu liefern, die die Bereitschaft des Fahrers, sich an Geschwindigkeitsbeschränkungen zu halten, offen legen.[302] Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren ahnen eine neue Erkenntnisquelle. Mielchen spricht zu Recht vom Verrat durch den eigenen Pkw,[303] andere vom "großen Lauschangriff"[304] und von "Big data auf der Autobahn".[305]Orwell ist jetzt auf Rädern unterwegs. Wer, wann, wo, wie, zu welchem Zweck und unter welchen Voraussetzungen auf die Daten zurückgegriffen werden kann ist von allerhöchster – auch verfassungsrechtlicher – Brisanz.[306] Längst sind Fahrer und Halter nicht Herr ihrer Daten. Welche Daten überhaupt gespeichert werden und zu welchem Zweck ist ihnen vielfach unbekannt und gehört zum Herrschaftswissen der Kfz-Hersteller. Auch die Verfügbarkeit über diese Daten ist dem Halter/Fahrer entzogen. Geheim erhobene Daten, offiziell erhobene Daten, freiwillig erhobene Daten und jeweils auch der Zugriff darauf,[307] bieten vielfältiges Terrain von Interessen.

Längst ist erkannt, dass die Daten und Informationen aus dem Fahrzeug Regeln unterworfen werden müssen, die das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen (z.B. Fahrzeughalter und Fahrer) sichern. Transparenz, Rechtsklarheit und Wahlfreiheit der Betroffenen sind dabei sicherzustellen.

 

Rz. 151

Der 52. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2014 in Goslar hat sich im Arbeitskreis VII "Wem gehören die Fahrzeugdaten?" mit der Problematik befasst.

Ausgangspunkt waren dabei folgende Überlegungen:

Zitat

"Verfügbarkeit, Umfang und Auswertungen möglicher Daten im Fahrzeug nehmen dramatisch zu. Nutzen und Gefahren sind dabei gegenüber zu stellen und abzuwägen. Mehrwertdienste, Versicherungsvorteile und Staumitteilungen scheinen attraktiv, bei unzureichender Aufklärung über die Tragweite der Datenweitergabe drohen allerdings kaum einschätzbare Gefahren (informationelle Selbstbestimmung, Überwachung sämtlicher Lebensbereiche, Ausspähen etc.)."

 

Rz. 152

Die dabei beschlossene Empfehlung skizziert die notwendigen Regelungen:

Damit Innovationen für die Automobilität in Europa auch zukünftig gesellschaftlich akzeptiert werden, muss der Austausch von Daten und Informationen aus dem Fahrzeug Regeln unterworfen werden, die das informationelle Selbstbestimmungsrecht durch Transparenz und Wahlfreiheit der Betroffenen (z.B. Fahrzeughalter und Fahrer) sichern.
Fahrzeughersteller und weitere Dienstleister müssen Käufer bei Vertragsabschluss in dokumentierter Form umfassend und verständlich informieren, welche Daten generiert und verarbeitet werden sowie welche Daten auf welchen Wegen und zu welchen Zwecken übermittelt werden. Änderungen dieser Inhalte sind rechtzeitig anzuzeigen. Fahrer sind geeignet im Fahrzeug zu informieren.
Bei der freiwilligen oder vertraglich vereinbarten Datenübermittlung an Dritte sind Fahrzeughalter und Fahrer technisch und rechtlich in die Lage zu versetzen, diese zu kontrollieren und ggf. zu unterbinden. Das Prinzip der Datensparsamkeit ist sicherzustellen. Für Unfalldatenspeicher, Event Data Recorder usw. ist ein Standard vorzuschreiben.
Bei Daten, die aufgrund gesetzlicher Regelungen erhoben, gespeichert oder übermittelt werden sollen, sind verfahrensrechtliche und technische Schutzvorkehrungen genau zu bestimmen.
Zugriffsrechte der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte sind unter konsequenter Beachtung grundrechtlicher und strafprozessualer Schutzziele spezifisch zu regeln.
[300] Weyde, Geheime Daten in Kraftfahrzeugen – Fluch oder Segen? Homburger Tage 2013, Schriftenreihe der AG Verkehrsrecht des DAV, Band 45, S. 89 ff. Das Thema kann hier nur "angerissen" werden. Die aktuellen Literaturhinweise führen weiter.
[301] Weyde, Geheime Daten in Kraftfahrzeugen – Fluch oder Segen? Homburger Tage 2013, Schriftenreihe der AG Verkehrsrecht des DAV, Band 45, S. 89 ff.
[302] Brenner, Aktuelle verfassungsrechtliche Probleme im Verkehrsrecht, III. Datenspeicherung im Auto, DAR 2014, 619, 623 f.
[303] Mielchen, Verrat durch den eigenen Pkw, 52. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2014, S. 241, 249 = SVR 2014, 81 ff.
[304] Auto-Bild Nr. 13 v. 28.3.2014.
[305] FAZ v. 31.3.2014 S. 20.
[306] Brenner, Aktuelle verfassungsrechtliche Probleme im Verkehrsrecht, III. Datenspeicherung im Auto, DAR 2014, 619, 623 f.
[307] Mielchen, Verrat durch den eigenen Pkw, 52. Deu...

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