Rz. 2

Betriebliche Maßnahmen zur Streikabwehr sind u.a. die Einstellung von Aushilfen, von Ersatzkräften oder Leiharbeitnehmern. Des Weiteren ist zu denken an die Beschäftigung von Fremdfirmen, die Beschäftigung von Streikbrechern, Briefe an Familienmitglieder, die Einbindung des Betriebsrates oder die Zahlung von Extraprämien. Des Weiteren ist in der Praxis die Drohung mit Verlagerung oder Personalabbau, die Hinweise auf volkswirtschaftliche Schäden, auf die Gefährdung der Arbeitsplätze und der Wettbewerbsfähigkeit, der Abfrage einer Gewerkschaftszugehörigkeit und Streikbereitschaft bekannt geworden.

Der Einsatz von Leih-AN zur Effektivierung der innerbetrieblichen Streikabwehr wurde durch den Gesetzgeber durch die seit dem 1.4.2017 geltende Neufassung des § 11 Abs. 5 AÜG untersagt. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG v. 19.6.2020 – 1 BvR 842/17). Danach ist es gerechtfertigt, die Einwirkung auf Arbeitskämpfe zulasten der Gewerkschaften durch den Streikbrechereinsatz von Leih-AN gesetzlich einzuschränken. Das individuelle Leistungsverweigerungsrecht des Leih-AN im Fall des Streikbrechereinsatzes (§ 11 Abs. 5 S. 3 AÜG) ist nicht geeignet, den missbräuchlichen Einsatz der Leiharbeit zu unterbinden, weil es wegen der damit für den Leih-AN verbundenen Nachteile kaum wahrgenommen werden kann. Ohne das Verbot verliert der Streik aber an Durchsetzungskraft, da seine Folgen durch den Fremdpersonaleinsatz nahezu folgenlos abgefangen werden können (BVerfG v. 19.6.2020 – 1 BvR 842/17). Die so vorgenommene Ausgestaltung der Tarifautonomie ist vom Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt, da sie ein legitimes Ziel mit einem nicht von vorneherein ungeeigneten Mittel verfolge, das sich insgesamt auch als zumutbar erweist.

 

Rz. 3

Der rechtliche Charakter oder die Frage danach, ob es sich um notwendige Arbeitskampfmittel handelt, ist ungeklärt. Für den Fall der Zahlung von Streikbruchprämien, um die Fortführung des Betriebes zu sichern, hat das BAG darin eine unzulässige Maßregelung nur dann gesehen, wenn die Prämie nach dem Streik zugesagt wird, sozusagen als Entgelt für die unterbliebene Streikbeteiligung (BAG v. 4.8.1987, DB 1988, 193; BAG v. 11.8.1992, AiB 1993, 244). Darüber hinaus sollen Zahlungen zulässig sein, die vor oder während des Streiks zugesagt werden. Ebenso sind solche Zahlungen zulässig, die für besondere Belastungen und Erschwernisse gewährt werden, etwa weil sonst nicht ausgeübte Tätigkeiten verrichtet würden. Das Streikrecht werde dadurch nicht ausgehöhlt (BAG v. 28.7.1992 – 1 AZR 87/92, DB 1993, 232; BAG v. 13.7.1993, DB 1994, 144; Kissel, Arbeitskampfrecht, § 42 Rn 124). Auf der anderen Seite ist zu überlegen, ob die Prämienzahlung die Streikenden benachteiligt. Auch ein tarifliches Maßregelungsverbot kann die vor oder während des Streiks gezahlten Streikbruchprämien unzulässig machen mit der Folge, dass auch die Streikenden die Zahlungen beanspruchen können (BAG v. 11.8.1992, AiB 1993, 244; BAG v. 4.8.1987, DB 1988, 183; BAG v. 13.7.1993, DB 1994, 144).

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