1. Allgemeines

 

Rz. 328

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren stehen dem Gläubiger viele Wege offen, seine Forderung im besten Fall erfolgreich durchzusetzen. Auf die Mitwirkung des Schuldners kommt es i.d.R. nicht an.

 

Rz. 329

Bei einigen Titeln hängt jedoch die Durchsetzung des titulierten Anspruchs des Gläubigers einzig von dem Willen des Schuldners ab. Das bedeutet, dass nur der Schuldner in der Lage ist, den Anspruch des Gläubigers zu erfüllen. Auch hier hat der Gläubiger aufgrund gesetzlicher Regelungen, die Möglichkeit, gegen den Schuldner vorzugehen. Im Zwangsvollstreckungsrecht ist diese Zwangsvollstreckungsmaßnahme in § 888 ZPO geregelt. Durch diese Zwangsmaßnahme soll der Schuldner gemäß der Verpflichtung aus einem zwangsvollstreckungsfähigen Titel zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung angehalten werden (§ 888 ZPO).

 

Beispiel 1:

In einem arbeitsrechtlichen Verfahren haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, wonach sich der Beklagte verpflichtet hat, dem Kläger ein wohlwollendes Zeugnis, bis zu einem im Vergleich bestimmten Zeitpunkt, zu erteilen. Dem Kläger liegt eine vollsteckbare Ausfertigung des Vergleichs vor.

Nachdem der Kläger den Beklagten erfolglos zur Erteilung des Zeugnisses aufgefordert hat, beauftragt er den RA mit der Zwangsvollstreckung.

2. Inhalt des Anspruchs

 

Rz. 330

Der Antrag gem. § 888 ZPO ist nur dann zulässig, wenn der Anspruch des Gläubigers auf Vornahme einer bestimmten Handlung durch den Schuldner ausschließlich durch den Schuldner selbst erfolgen kann und somit kein Dritter in der Lage ist, diese Handlung anstelle des Schuldners vorzunehmen.

 

Rz. 331

 

Hinweis:

Die Abgabe einer Willenserklärung ist keine Handlung i.S.d. Vorschrift des § 888 ZPO. Die hierfür einschlägige Vorschrift ist in § 894 ZPO geregelt (Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung). Danach gilt die Willenserklärung als abgegeben, sofern das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist.

Auch auf die Verpflichtung des Schuldners, Handlungen zu unterlassen oder zu dulden findet die Vorschrift des § 888 ZPO keine Anwendung. Hier ist § 890 ZPO die zutreffende Vorschrift für Zwangsmaßnahmen.

 

Rz. 332

In der Praxis bereitet es mitunter Schwierigkeiten, abzugrenzen, wann eine Handlung unvertretbar und einzig und allein vom Schuldner vorgenommen werden kann und wann sie vertretbar ist und somit auch durch einen Dritten ausgeführt werden kann. Immer dann, wenn der Gläubiger nicht in der Lage ist, die dem Schuldner obliegende Handlung durch einen Dritten (anstelle und auf Kosten des Schuldners) vornehmen zu lassen, liegt ein Fall des § 888 ZPO vor.

Anderenfalls, d.h. wenn der Gläubiger in der Lage ist, die Verpflichtung des Schuldners durch einen Dritten vornehmen zu lassen, liegt ein Fall des § 887 ZPO (Vornahme einer vertretbaren Handlung) vor.

 

Rz. 333

 

Beispiel 2:

In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren hat sich der Arbeitgeber verpflichtet, dem Kläger Lohnabrechnungen für die Monate Mai, Juni und Juli 2009 zu erstellen.

Sämtliche Unterlagen, die zur Lohnabrechnung benötigt werden, liegen dem Gläubiger vor.

Der Gläubiger könnte nach Vorliegen eines Beschlusses gem. § 887 ZPO z.B. einen Steuerberater mit der Erstellung der Lohnabrechnungen (auf Kosten des Schuldners) beauftragen. Die Vornahme der Handlung ist nicht von dem Willen des Schuldners abhängig und kann von einem Dritten ausgeführt werden.

 

Rz. 334

 

Beispiel 3:

In einer mietrechtlichen Angelegenheit wurde der Vermieter verurteilt, die in der Wohnung vorhandenen Mängel, die im Urteil genau bezeichnet sind, zu beseitigen.

Der Gläubiger kann in diesem Fall, bei Vorliegen des Beschlusses gem. § 887 ZPO, Handwerker mit der Mängelbeseitigung auf Kosten des Schuldners beauftragen.

3. Antrag des Gläubigers

 

Rz. 335

Um seinen Anspruch durchzusetzen, muss der Gläubiger einen entsprechenden Antrag stellen. Ist das Prozessgericht in erster Instanz das LG, so besteht in diesem Fall Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO). Der Gläubiger muss in diesem Fall einen RA mit der Antragstellung beauftragen, ansonsten würde der Antrag als unzulässig abgewiesen werden.

Das Zwangsmittel oder die Zwangshöhe muss der Gläubiger in seinem Antrag nicht angeben.

Einen Nachweis darüber, dass die Verpflichtung vom Schuldner nicht erfüllt wurde, muss der Gläubiger nicht führen.

Der Gläubiger muss prozessfähig sein. (Prozessfähig ist, wer parteifähig ist. Parteifähig sind alle natürlichen und juristischen Personen).

4. Vorliegen der allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen

 

Rz. 336

Bei der Entscheidung über den Antrag des Gläubiges gem. § 888 ZPO müssen die drei allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen Titel, Klausel, Zustellung vor­liegen.

Die vollstreckbare Ausfertigung des Titels muss mit dem Antrag im Original eingereicht werden.

Sonstige für den Beginn der Zwangsvollstreckung erforderlichen Urkunden müssen ebenfalls vorgelegt werden (z.B. bei einer Zug-um-Zug-Leistung, der Nachweis des Gläubigers über den Annahmeverzug des Schuldners, sofern der Annahmeverzug nicht bereits im Vollstreckungstitel festgestellt ist, § 765 ZPO)

5. Zuständigkeit

 

Rz. 337

Ausschließlich zuständig für die Entscheidung den Antrag gem. § 888 ZPO ist das Prozessgericht erster Inst...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge