Rz. 98

Hat der Ehegatte lediglich auf seinen Pflichtteil verzichtet, nicht aber auf sein Erbrecht, so bleibt es bei der erbrechtlichen Lösung. Dementsprechend erhöht sich der Erbteil um ¼ aufgrund § 1371 Abs. 1 BGB. Wird der Ehegatte Erbe oder Vermächtnisnehmer aufgrund einer Verfügung von Todes wegen, so kann er neben diesem Erwerb nichts mehr beanspruchen,[207] es sei denn, er schlägt das Zugewendete aus und verlangt den Zugewinnausgleich nach den güterrechtlichen Vorschriften. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass ihm dann selbstverständlich aufgrund des Pflichtteilsverzichts wegen § 1371 Abs. 3 BGB nicht noch ein Anspruch auf den kleinen Pflichtteil zusteht.

 

Rz. 99

Wurde nur auf das gesetzliche Erbrecht verzichtet und das Pflichtteilsrecht vorbehalten, greift die güterrechtliche Lösung.[208] Bei Durchführung des Zugewinnausgleichs erhält der überlebende Ehegatte als Pflichtteil ¼,[209] wenn der Erblasser nicht testiert hat. Wird der überlebende Ehegatte übergangen, kann er daneben noch den kleinen Pflichtteil verlangen. Dies gilt nicht bei einer Ausschlagung durch den Ehegatten. Diese Probleme treten bei den weiteren Güterständen nicht auf.

 

Rz. 100

Bei Übergabeverträgen wird häufig vergessen, dass auch der überlebende Ehegatte pflichtteilsberechtigt ist. Aus diesem Grund ist es ratsam, einen beschränkten Pflichtteilsverzicht des Ehegatten erklären zu lassen.[210]

Wird gleichzeitig mit dem Ehevertrag oder der Scheidungsfolgenvereinbarung ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht abgeschlossen, so soll nach Wachter[211] auch dieser Verzicht der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Dabei differenziert er zwischen Verzichten von Ehegatten und anderen Familienangehörigen. Die Rechtsprechung[212] lehnt aber regelmäßig eine Unwirksamkeit eines Ehe- und Erbverzichtsvertrages aus dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit wegen einer Täuschung von Seiten des Erblassers über die wahren Vermögensverhältnisse ab, weil i.d.R. nicht ersichtlich sei, dass der Vermögensstand des Erblassers maßgeblichen Einfluss auf den Verzicht hatte.

Bei Pflichtteilsverzichten von Ehegatten im Rahmen ehevertraglicher Vereinbarung soll es zu einer "Gesamtabwägung" kommen, so z.B. bei Verzichten der anderen Familienangehörigen, wenn nach konkreter Situation der Pflichtteil Unterhaltsfunktion hat.

Grundsätzlich ist bei Vorliegen einer Zwangs- und Drucksituation eine Inhaltskontrolle nicht auszuschließen. Es ist jedoch zu bedenken, dass der Pflichtteil aber gerade keine Scheidungsfolge und selbst ein sog. Wagnisgeschäft ist. Regelmäßig käme nach hiesiger Auffassung daher wohl nicht der Totalwegfall des Pflichtteilsverzichts in Betracht, sondern nur eine Anpassung des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts.[213]

 

Rz. 101

Abschließend hierzu die nachfolgende Übersicht:

 
Konsequenz für: Ehegatte ist trotz Erbverzicht Erbe durch Verfügung von Todes wegen nur Pflichtteilsverzicht ohne Erbverzicht nur Verzicht auf gesetzliches Erbrecht
Zugewinnausgleich ausgeschlossen erfolgt erfolgt
Erbteil keine Erhöhung Erhöhung um ¼ nur Pflichtteil von ¼; jedoch daneben kleiner Pflichtteil möglich, wenn Ehegatte übergangen
[207] Reul, MittRhNotK 1997, 376.
[208] Reul, MittRhNotK 1997, 376.
[209] ½ des gesetzlichen und des um ¼ erhöhten Erbteils.
[210] Hierzu ausführlich J. Mayer, ZEV 2000, 265.
[211] Wachter, ZErb 2004, 238 ff.
[213] Zweifelnd auch Hammann, in: Reimann/Bengel/Dietz, Syst. A Rn 184.

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