a) Unterschiedliche Fälligkeiten

 

Rz. 383

Werden verschiedene Versicherungsleistungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig, kann die Verjährung für jede dieser Leistungen gesondert zu laufen beginnen.[330] Das gilt dann auch für hieran anknüpfende Zinsleistungen.[331]

[330] BGH v. 6.12.2006 – IV ZR 34/05 – BGHReport 2007, 292 = MDR 2007, 588 = NJW-RR 2007, 382 = r+s 2007, 103 = VersR 2007, 537 = zfs 2007, 451 (Feuerversicherung); BGH v. 10.5.1983 – IVa ZR 74/81 – VersR 1983, 673.
[331] BGH v. 6.12.2006 – IV ZR 34/05 – BGHReport 2007, 292 = MDR 2007, 588 = NJW-RR 2007, 382 = r+s 2007, 103 = VersR 2007, 537 = zfs 2007, 451.

b) Kenntnisfähigkeit des Verletzten

 

Rz. 384

Es kommt zunächst auf die Kenntnis des direkt und unmittelbar in seinen Rechten Betroffenen (d.h. des unmittelbar Verletzten bzw. Hinterbliebenen) an.

 

Rz. 385

Bei schweren Kopfverletzungen kann die für den Verjährungsbeginn maßgebliche Kenntnis des Verletzten für den Unfallzeitpunkt nicht nur durch den Zustand völliger Bewusstlosigkeit ausgeschlossen sein, sondern u.U. auch durch eine bloße Beeinträchtigung des Auffassungs- und Denkvermögens, die dem Verletzten verwehrt, sich sogleich ein für die Erhebung einer Klage ausreichendes und gegebenenfalls alsbald in zumutbarer Weise ergänzendes Bild vom Schaden und der Person des Schädigers zu machen.[332]

[332] BGH v. 4.12.2012 – VI ZR 217/11 – MDR 2013, 216 = NJ 2013, 252 = NJW 2013, 939 = r+s 2013, 148 = VersR 2013, 246; BGH v. 12.11.1963 – VI ZR 210/62 – VersR 1964, 302 (Schwere Schädelverletzung). Geigel-Bacher, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, Kap. 11 Rn 14; Jahnke/Burmann-Lemcke, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 6 Rn 659; Palandt-Ellenberger, 76. Aufl. 2017, § 199 BGB Rn 29.

c) Kenntnis des Hinterbliebenen

 

Rz. 386

Der Anspruch der Hinterbliebenen aus § 844 BGB entsteht bereits mit dem Unfall. Es handelt sich um einen originären Anspruch der anspruchsberechtigten Hinterbliebenen.

 

Rz. 387

Der Verletzte kann nur über die eigenen Ansprüche vor seinem Tod wirksam verfügen, d.h. z.B. eine Haftungsquote vereinbaren oder die Ansprüche ganz bzw. teilweise abfinden oder aber verjähren lassen. Soweit Ansprüche den Hinterbliebenen originär zustehen (§§ 844, 845 BGB), kann der Verletzten (und später dann Verstorbene) diese nicht beeinträchtigen.

 

Rz. 388

Weil der Tod als weitere Schadensfolge zunächst noch ungewiss ist, kann die Verjährung des Anspruches aus § 844 BGB bei Auseinanderfallen von Unfall und Tod erst mit dem Tod zu laufen beginnen.[333] Nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung erst mit der Fälligkeit des Anspruches. Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die sofortige Leistung verlangen kann.[334] Die Verjährung beginnt nicht vor Entstehung des Schadens. Der Vermögensschaden muss bereits eingetreten sein, die bloße Gefährdung reicht nicht aus.[335]

 

Rz. 389

Auch bei schwerer Vorerkrankung (z.B. Koma) und absehbarem Todeseintritt dürfte keine vorverlagerte Kenntnis vom Schaden anzunehmen sein.

 

Rz. 390

Für den Direktanspruch (§ 115 Abs. 1 VVG, § 3 Nr. 1 S. 1 PflVG a.F.) ist die 10-Jahres-Frist in § 115 Abs. 2 S. 2, 2. Halbs. VVG (§ 3 Nr. 3 S. 2, 2. Halbs. PflVG a.F.) zu beachten, die ab dem Unfalltag läuft; die Rechtskrafterstreckung nach § 124 VVG (§ 3 Nr. 8 PflVG a.F.) gilt auch bei Abweisung der Direktklage wegen Verjährung.[336]

[333] OLG Düsseldorf v. 6.11.1998 – 22 U 95/98 – VersR 1999, 893.
[334] Palandt-Grüneberg, 76. Aufl. 2017, § 271 BGB Rn 1. BGH v. 13.3.2002 – IV ZR 40/01 – r+s 2002, 217 = VersR 2002, 698.
[335] BGH 15.10.1992 – IX ZR 43/92 – NJW 1993, 648 = VersR 1993, 1358, BGH v. 23.3.1987 – II ZR 190/86 – BGHZ 100, 228 = DB 1987, 1478 = MDR 1987, 644 = NJW 1987, 1887 = NJW-RR 1987, 925 (nur Ls.).
[336] BGH v. 24.6.2003 – VI ZR 256/02 – VersR 2003, 1121 (Revisionsentscheidung zu OLG Hamm v. 6.5.2002 – 13 U 223/01 – NVersZ 2002, 575 = NZV 2003, 384 = OLGR 2002, 406 = VersR 2003, 56) (Werden Versicherer und versicherte Person [VN] aufgrund eines Verkehrsunfalls gemeinsam auf Schadenersatz verklagt und wird der Klage gegen den VN aus materiell-rechtlichen Gründen stattgegeben, die Klage gegen den Versicherer wegen Ablaufs der 10-Jahres-Frist aber abgewiesen, dann ist auf die Berufung des VN, wenn die Klageabweisung gegen den Versicherer rechtskräftig wird, die Klage schon wegen der Rechtskrafterstreckung abzuweisen).

d) Kenntnis des Vertreters

 

Rz. 391

 

Hinweis

Siehe zu Drittleistungsträgern auch Rdn 425 ff.

 

Rz. 392

 

§ 164 BGB – Wirkung der Erklärung des Vertreters

(1) 1Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen.

2Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.

(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.

(3) Die Vorschriften des Abs. 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung des...

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